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Kindergarten👶 3-6 Jahre📖 15 Min. Lesezeit

Kind zerstört Sachen anderer Kinder im Kindergarten – Ursachen und Lösungen

Der Turm eines anderen Kindes umgeworfen, das Bild zerrissen, die Kette kaputtgemacht – wenn dein Kind im Kindergarten die Sachen anderer zerstört, ist das für alle belastend. Du fragst dich: Warum macht mein Kind das? Ist es aggressiv? Hab ich etwas falsch gemacht? Dieser Ratgeber gibt dir Antworten und konkrete Hilfe.

In diesem Artikel erfährst du:

  • 1Die verschiedenen Gründe, warum Kinder Sachen zerstören
  • 2Den Unterschied zwischen Impulsivität, Frust und gezielter Aggression
  • 3Was im Gehirn deines Kindes passiert
  • 4Wie die 4 Erziehungsstile damit umgehen
  • 5Konkrete Strategien für den Moment und langfristig
  • 6Wie Wiedergutmachung funktioniert
  • 7Wann das Verhalten auffällig wird
  • 8Wann professionelle Hilfe sinnvoll ist

Warum zerstören Kinder die Sachen anderer?

Zerstören kann viele Ursachen haben – und diese zu verstehen ist der erste Schritt zur Lösung:

Impulsivität:
Kind sieht den Turm, hat einen Impuls ihn umzustoßen, tut es – ohne nachzudenken. Keine böse Absicht, aber fehlende Impulskontrolle.

Frustration:
Kind ist frustriert (über etwas anderes) und lässt es am Nächstbesten aus. Der Turm ist zufällig im Weg.

Eifersucht:
Das andere Kind hat etwas Tolles gebaut, bekommt Lob – das eigene Kind zerstört es aus Neid oder Eifersucht.

Aufmerksamkeitssuche:
Zerstören führt zu großen Reaktionen. Für manche Kinder ist auch negative Aufmerksamkeit besser als keine.

Soziale Unreife:
Kind versteht noch nicht, wie viel Arbeit in dem Turm steckt oder wie traurig der andere ist.

Gezielte Aggression:
In seltenen Fällen: Kind will dem anderen bewusst schaden. Das ist bei Kindergartenkindern selten die Hauptursache.

Wichtig: Die meisten Kinder zerstören NICHT aus bösartiger Absicht. Sie haben noch nicht die Fähigkeiten, ihre Impulse zu kontrollieren oder die Perspektive des anderen einzunehmen.

Zwei Perspektiven auf die Situation

Um richtig zu reagieren, hilft es, beide Seiten zu verstehen:

Was dein Kind möglicherweise erlebt:

  • Starker Impuls, ohne Bremse im Kopf
  • Frustration, die sich entladen muss
  • Neid auf das, was der andere geschafft hat
  • Überraschung über die heftige Reaktion des anderen
  • Nicht verstehen, warum alle so aufgeregt sind
  • Manchmal auch: Machtgefühl, etwas bewirken können

Was du als Elternteil erlebst:

  • Scham vor anderen Eltern und Erziehern
  • Sorge: Ist mein Kind aggressiv?
  • Frustration über wiederholte Vorfälle
  • Hilflosigkeit: Wie erkläre ich das?
  • Angst vor sozialer Ausgrenzung des Kindes
  • Unsicherheit über die richtige Reaktion

💡Die Frage ist nicht 'Was stimmt mit meinem Kind nicht?' sondern 'Welche Fähigkeit fehlt meinem Kind noch, und wie kann ich sie aufbauen?'

Was im Gehirn passiert

Das Verstehen der Neurobiologie hilft, Mitgefühl und die richtigen Strategien zu entwickeln:

Impulskontrolle:
Der präfrontale Kortex, zuständig für 'Stopp!'-Gedanken, ist bei Kindern noch in Entwicklung. Der Impuls 'Umstoßen!' kommt, aber die Bremse funktioniert nicht.

Emotionsregulation:
Wenn Frustration oder Wut hochkocht, 'überflutet' das limbische System das denkende Gehirn. Das Kind KANN in diesem Moment nicht rational handeln.

Empathie:
Die Fähigkeit, das Leid des anderen zu spüren und zu verstehen, entwickelt sich erst. Ein 3-Jähriges versteht nicht wirklich, warum der andere weint.

Ursache-Wirkung:
Jüngere Kinder verstehen die Konsequenzen ihres Handelns noch nicht vorher. Der Gedanke 'Wenn ich den Turm umstoße, ist Lisa traurig' kommt – wenn überhaupt – erst danach.

Wiederholung nötig:
Das Gehirn braucht viele Wiederholungen und positive Erfahrungen, um neue Verhaltensweisen zu etablieren. Ein einmaliges 'Tu das nicht!' reicht nicht.

Muster erkennen: Wann passiert es?

Beobachte, wann dein Kind zerstört – das gibt Hinweise auf die Ursache:

  • Nach Frustration: Kind wollte etwas nicht erreichen, zerstört dann anderes → Frust-Ventil
  • Bei Langeweile: Nichts zu tun, Zerstören bringt Action → Unterstimulation
  • Bei Müdigkeit/Hunger: Grundbedürfnisse nicht erfüllt → Selbstregulation schwer
  • Bei bestimmten Kindern: Immer beim gleichen Kind → Möglicherweise Konflikt, Eifersucht
  • Nach Lob für andere: Anderes Kind wird gelobt, seines zerstört → Eifersucht
  • Übergangszeiten: Aufräumen, Wechsel → Übergänge sind schwer
  • Bei Reizüberflutung: Zu viel Lärm, zu viele Kinder → Überstimulation

💡Das Muster zu erkennen hilft, präventiv einzugreifen.

Typische Fehler im Umgang

Diese Reaktionen sind verständlich, aber oft kontraproduktiv:

  • Beschämen: 'Du böses Kind!' – beschädigt Selbstwert, hilft nicht beim Lernen
  • Lange Vorträge: Kind schaltet ab, versteht die Botschaft nicht
  • Gleiches mit Gleichem: 'Dann mach ich deine Sachen auch kaputt!' – modelliert das Verhalten
  • Ignorieren: Kind bekommt keine Korrektur, lernt nichts
  • Übertriebene Reaktion: Gibt dem Zerstören zu viel Aufmerksamkeit
  • Entschuldigen für das Kind: 'Er meint es nicht so' – Kind lernt keine Verantwortung
  • Strafen ohne Erklärung: Kind versteht nicht, was es lernen soll

Wie die 4 Erziehungsstile reagieren

Der Erziehungsstil beeinflusst, was das Kind aus der Situation lernt.

Empfohlen
🌿

Autoritativ

Grenzen + Empathie + Wiedergutmachung

  • Greift sofort ein: 'Stopp. Das war Lisas Turm.'
  • Benennt die Wirkung: 'Schau, Lisa ist traurig. Ihr Turm ist kaputt.'
  • Fragt nach dem Warum, wenn möglich: 'Was ist passiert?'
  • Ermöglicht Wiedergutmachung: 'Was könntest du tun, damit es Lisa besser geht?'
  • Übt Alternativen: 'Wenn du wütend bist, kannst du...'
  • Bleibt konsequent bei jedem Vorfall

→ Kind lernt: 'Mein Handeln hat Konsequenzen. Ich kann es wieder gut machen. Es gibt andere Wege.'

🏛️

Autoritär

Strafe + Beschämung

  • Reagiert mit Schimpfen und Strafe
  • Beschämt das Kind vor anderen
  • Wenig Interesse an den Gründen
  • Erwartet sofortiges Aufhören ohne Anleitung
  • Keine Wiedergutmachungs-Möglichkeit

→ Kind lernt: 'Ich bin böse.' Scham, aber kein echtes Verstehen. Verhalten kann sich im Verborgenen fortsetzen.

☀️

Permissiv

Entschuldigen + keine Konsequenz

  • Entschuldigt das Verhalten: 'Er ist müde'
  • Setzt keine klare Grenze
  • Keine Wiedergutmachung gefordert
  • Tröstet das eigene Kind statt zu korrigieren
  • Vermeidet Konfrontation

→ Kind lernt: 'Das ist nicht so schlimm.' Verhalten kann sich fortsetzen oder verstärken.

🍃

Laissez-faire

Wenig Reaktion

  • Ist oft nicht aufmerksam, wenn es passiert
  • Überlässt es den Erziehern
  • Inkonsequente Reaktionen
  • Keine Nachbereitung zu Hause
  • Keine präventive Arbeit

→ Kind bekommt keine Orientierung. Lernt durch Zufall oder gar nicht.

Der Schlüssel: Klar intervenieren + Empathie für das andere Kind wecken + Wiedergutmachung ermöglichen + Alternative Verhaltensweisen üben.

Konkrete Strategien

So reagierst du konstruktiv – im Moment und langfristig:

1

Sofort eingreifen

Nicht abwarten. 'Stopp.' Geh hin, unterbreche die Situation. Klar und ruhig.

💡 Bleib selbst ruhig – deine Aufregung eskaliert die Situation.

2

Erst dem anderen Kind zuwenden

Tröste das Kind, dessen Sache zerstört wurde. Das zeigt deinem Kind: Das ist ernst. Und es gibt dem anderen Kind Aufmerksamkeit, nicht dem 'Zerstörer'.

💡 Das modelliert auch Empathie: 'Lisa ist traurig. Ihr Turm ist kaputt.'

3

Kurz und klar benennen

'Das war Lisas Turm. Den darfst du nicht kaputtmachen.' Nicht mehr als 2-3 Sätze. Keine langen Vorträge.

💡 Auf Augenhöhe des Kindes, Blickkontakt.

4

Nach dem Warum fragen (wenn möglich)

'Was ist passiert? Warst du wütend?' Versuche zu verstehen, was dahintersteckt. Nicht zur Rechtfertigung, sondern zum Verstehen.

💡 Manchmal kann das Kind es nicht erklären – das ist okay.

5

Wiedergutmachung ermöglichen

'Was könntest du tun, damit Lisa sich besser fühlt?' Gemeinsam aufbauen, entschuldigen, etwas Nettes tun. Wiedergutmachung lehrt Verantwortung.

💡 Erzwinge keine Entschuldigung – sie muss echt sein. Aber leite zur Wiedergutmachung an.

6

Konsequenz bei Wiederholung

Wenn das Kind immer wieder zerstört: Kurze Spielpause. 'Du brauchst eine Pause. In 5 Minuten kannst du wieder spielen.' Nicht als Strafe, sondern als Regulationshilfe.

💡 Timer nutzen, damit das Ende vorhersehbar ist.

7

Alternativen üben

'Wenn du wütend bist, kannst du: Stampfen, tief atmen, zu mir kommen, in ein Kissen boxen.' Übe konkrete Alternativen zu Hause, nicht nur im Moment.

💡 Mach daraus ein Spiel: 'Was machst du, wenn du wütend bist? Lass uns üben!'

8

Empathie fördern

'Wie glaubst du, fühlt sich Lisa?' 'Wie würdest du dich fühlen, wenn jemand deinen Turm kaputtmacht?' Ab etwa 4 Jahren wird Perspektivübernahme möglich.

💡 Nutze Bücher und Geschichten, um über Gefühle zu sprechen.

9

Trigger identifizieren

Wann passiert es? Frustration? Müdigkeit? Bestimmte Kinder? Wenn du das Muster kennst, kannst du präventiv eingreifen.

💡 Führe ein kurzes Tagebuch über Vorfälle.

10

Mit Erziehern zusammenarbeiten

Sprich offen mit den Erziehern. Was beobachten sie? Welche Strategien nutzen sie? Arbeitet als Team.

💡 Bitte auch um Rückmeldung zu positiven Momenten.

Wiedergutmachung – wie sie funktioniert

Wiedergutmachung ist ein mächtiges Werkzeug – richtiger eingesetzt als Strafe:

Warum Wiedergutmachung?
- Lehrt Verantwortung für das eigene Handeln
- Gibt dem Kind die Chance, es 'wieder gut zu machen'
- Stärkt Empathie (Fokus auf das andere Kind)
- Repariert die Beziehung zwischen den Kindern

Formen der Wiedergutmachung:
- Gemeinsam aufbauen, was kaputtgemacht wurde
- Dem anderen Kind bei etwas helfen
- Etwas Nettes für das andere Kind tun/malen/bauen
- Sich entschuldigen (wenn echt gemeint)

Wichtig:
- Wiedergutmachung darf nicht erzwungen sein
- Zeige Optionen auf, lass das Kind wählen
- Begleite den Prozess
- Eine halbherzige Entschuldigung ist weniger wert als eine echte Handlung

Wenn das Kind nicht will:
- Dräng nicht zur Entschuldigung, aber benenne die Konsequenz
- 'Wenn du es nicht wieder gut machst, ist Lisa immer noch traurig. Das bleibt dann so.'
- Manchmal braucht das Kind Zeit. Wiedergutmachung kann auch später kommen.

Hilfreiche Sätze

Diese Formulierungen helfen im Moment:

  • 'Stopp. Das war [Name]s Turm.'
  • 'Schau, [Name] ist traurig. Ihr Turm ist kaputt.'
  • 'Das darfst du nicht kaputtmachen.'
  • 'Was könntest du tun, damit [Name] sich besser fühlt?'
  • 'Wenn du wütend bist, kannst du zu mir kommen.'
  • 'Komm, wir bauen zusammen wieder auf.'
  • 'Das war nicht okay. Und ich helfe dir, es besser zu machen.'

Sätze, die du vermeiden solltest

Diese Aussagen können kontraproduktiv sein:

  • 'Du böses Kind!' (Beschämung)
  • 'Warum machst du sowas?' (Kind weiß es oft nicht)
  • 'Dann mach ich deine Sachen auch kaputt!' (Modelliert das Verhalten)
  • 'Entschuldige dich SOFORT!' (Erzwungene Entschuldigung ist wertlos)
  • 'Das war doch nicht so schlimm' (Bagatellisiert)
  • 'Er meint es nicht so' (Rechtfertigt das Verhalten)
  • 'Dafür gibt es kein Abendessen!' (Unverbundene Strafe)

Mini-Check: Wie auffällig ist das Verhalten?

🟢

Gelegentlich / Impulsiv

Passiert ab und zu, meist impulsiv. Kind zeigt Reue oder Verständnis. Kann mit Anleitung Wiedergutmachung leisten. Nimmt Korrekturen an. Trend zur Besserung.

🟡

Häufig / Muster erkennbar

Passiert regelmäßig trotz Intervention. Kind zeigt wenig Reue. Oft bei bestimmten Auslösern (Frustration, Eifersucht). Andere Kinder meiden dein Kind. Keine Besserung über Wochen.

🔴

Gezielt / Aggressiv

Gezieltes, wiederholtes Zerstören mit Freude oder Absicht. Keine Empathie erkennbar. Zusätzliche aggressive Verhaltensweisen. Kind scheint nicht zu verstehen, warum es problematisch ist. Soziale Isolation.

🩺Wann professionelle Hilfe sinnvoll ist

In manchen Fällen braucht es mehr als elterliche Anleitung:

  • !Verhalten besteht trotz konsequenter Intervention über Monate
  • !Gezieltes Zerstören mit Freude am Leid des anderen
  • !Keine Empathie oder Reue erkennbar
  • !Zusätzliche aggressive Verhaltensweisen (Hauen, Beißen)
  • !Verdacht auf tieferliegende Ursachen (Traumata, Entwicklungsstörung)
  • !Kind ist sozial isoliert
  • !Erzieher empfehlen professionelle Einschätzung
  • !Du als Elternteil bist ratlos und erschöpft
🔍

Mögliche tiefere Ursachen

ADHS: Impulskontrollprobleme können zu impulsivem Zerstören führen. Emotionale Überlastung: Stress zu Hause kann sich im Kindergarten entladen. Traumatische Erfahrungen: Können sich in aggressivem Verhalten zeigen. Entwicklungsverzögerungen: Verzögerte Empathie-Entwicklung oder soziale Fähigkeiten. Sensorische Verarbeitung: Kind sucht starke sensorische Erfahrungen. Eine professionelle Diagnostik kann helfen, tiefere Ursachen zu erkennen und gezielt zu behandeln.

Häufig gestellte Fragen

Jedes Verhalten erfüllt einen Zweck. Unsere Aufgabe ist es, herauszufinden, welchen – und dem Kind einen besseren Weg zu zeigen.

Dr. Ross Greene(Kinderpsychologe)

Wie reagierst du, wenn dein Kind Sachen zerstört?

Dein Erziehungsstil beeinflusst, wie dein Kind aus solchen Situationen lernt. Der autoritative Ansatz – klare Grenzen plus Empathie und Wiedergutmachung – ist am wirksamsten. Finde heraus, wo du stehst.

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