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Schule👶 6-16 Jahre📖 14 Min. Lesezeit

Kind arbeitet im Unterricht nicht mit – Ursachen und Lösungen

'Er könnte, wenn er wollte' – diesen Satz hörst du vielleicht vom Lehrer. Dein Kind sitzt im Unterricht, aber arbeitet nicht mit: schreibt nicht, meldet sich nicht, scheint abwesend. Das ist frustrierend für alle Beteiligten. Aber hinter der Verweigerung steckt immer ein Grund.

In diesem Artikel erfährst du:

  • 1Warum Kinder im Unterricht nicht mitarbeiten
  • 2Der Unterschied zwischen 'nicht wollen' und 'nicht können'
  • 3Was hinter der Verweigerung stecken kann
  • 4Die 4 Erziehungsstile und ihr Umgang damit
  • 5Konkrete Strategien, um dein Kind zu erreichen
  • 6Wann professionelle Hilfe sinnvoll ist

Warum arbeitet ein Kind nicht mit?

Die Ursachen für fehlende Mitarbeit sind vielfältig:

1. Überforderung:
Das Kind versteht den Stoff nicht und gibt auf. Mitarbeiten scheint sinnlos, wenn man eh nichts versteht.

2. Unterforderung:
Das Gegenteil: Der Stoff ist zu einfach, das Kind langweilt sich und schaltet ab.

3. Mangelnde Motivation:
Das Kind sieht keinen Sinn im Lernen. Warum sich anstrengen, wenn es egal erscheint?

4. Soziale Probleme:
Mobbing, Ausgrenzung, Konflikte – diese belasten so sehr, dass fürs Lernen keine Energie bleibt.

5. Emotionale Belastung:
Sorgen, Ängste, Depression, Probleme zu Hause – all das kann sich als Rückzug im Unterricht zeigen.

6. Schlechte Beziehung zum Lehrer:
Wenn das Kind sich vom Lehrer nicht gesehen oder unfair behandelt fühlt, verweigert es manchmal aus Trotz.

7. Lernschwächen:
Unerkannte Legasthenie, Dyskalkulie oder ADHS können dazu führen, dass das Kind aufgibt.

8. Pubertät:
Bei Jugendlichen: Abgrenzung, Null-Bock-Phase, andere Prioritäten (Freunde, Selbstfindung).

💡

'Nicht wollen' vs. 'Nicht können'

Hinter 'Er will einfach nicht' steckt oft 'Er kann nicht – oder sieht keinen Weg'. Kinder verweigern selten grundlos. Wenn Mitarbeit zu schwer, zu langweilig, zu beängstigend oder zu sinnlos erscheint, ist Rückzug eine nachvollziehbare Reaktion. Die Frage ist nicht 'Wie zwinge ich mein Kind?' sondern 'Was braucht mein Kind, um mitarbeiten zu können?'

Unterschiedliche Perspektiven

Kind und Eltern erleben die Situation unterschiedlich:

Dein Kind erlebt möglicherweise:

  • Ich verstehe das eh nicht – warum soll ich es versuchen?
  • Das ist so langweilig, ich kann einfach nicht aufpassen
  • Der Lehrer mag mich sowieso nicht
  • Ich habe gerade andere Probleme
  • Mir ist alles egal geworden
  • Niemand sieht, wie schwer mir das fällt
  • Ich schäme mich, wenn ich Fehler mache

Du als Elternteil erlebst:

  • Warum arbeitet mein Kind nicht mit?
  • Es könnte doch, wenn es wollte!
  • Die Lehrer beschweren sich, und ich weiß nicht, was ich tun soll
  • Macht es das extra?
  • Was passiert mit seiner Zukunft?
  • Wie motiviere ich es?
  • Bin ich schuld?

💬Verweigerung ist immer eine Botschaft. Sie sagt: 'Etwas funktioniert hier nicht für mich.' Statt gegen die Verweigerung zu kämpfen, lohnt es sich, die Botschaft zu entschlüsseln.

Typische Elternfehler

Diese Reaktionen verschlimmern oft die Situation:

  • Mehr Druck machen: 'Du MUSST mitarbeiten!' – Erhöht den Widerstand
  • Strafen: Verweigerung mit Konsequenzen beantworten verstärkt den Konflikt
  • Vergleichen: 'Deine Schwester arbeitet immer mit!'
  • Beschämen: 'Ich schäme mich für dich!' – Verschließt das Kind
  • Belohnungen für Grundlegendes: Kann kurzfristig helfen, langfristig die intrinsische Motivation zerstören
  • Die Schuld bei der Schule suchen: Ohne die echten Ursachen zu erkunden
  • Nichts tun: Hoffen, dass es sich von allein löst

Wie die 4 Erziehungsstile damit umgehen

Der Erziehungsstil beeinflusst, wie Eltern auf Verweigerung reagieren:

Empfohlen
🌿

Autoritativ

Wärme + klare Grenzen

  • Sucht nach den Ursachen hinter der Verweigerung
  • Spricht offen mit dem Kind: 'Was macht es dir schwer?'
  • Arbeitet mit der Schule zusammen
  • Setzt klare Erwartungen, aber mit Verständnis
  • Hilft bei konkreten Problemen (Überforderung, Konflikte)
  • Stärkt die intrinsische Motivation
  • Sucht bei Bedarf professionelle Hilfe

→ Kind fühlt sich gehört und unterstützt. Echte Veränderung wird möglich.

🏛️

Autoritär

Strenge + wenig Emotionen

  • Setzt auf Druck und Strafen
  • Wenig Interesse an den Ursachen
  • Erwartet Gehorsam: 'Du arbeitest mit, Punkt!'
  • Beschuldigt das Kind: 'Du bist faul!'

→ Widerstand verstärkt sich, Beziehung leidet, Problem bleibt.

☀️

Permissiv

Viel Wärme, wenige Grenzen

  • Akzeptiert die Verweigerung ohne Konsequenzen
  • Entschuldigt das Kind: 'Er hat halt keine Lust'
  • Kein aktives Engagement für Veränderung
  • Verteidigt das Kind gegen die Schule

→ Kind lernt nicht, Verantwortung zu übernehmen. Probleme wachsen.

🍃

Laissez-faire

Wenig Struktur, wenig Führung

  • Bemerkt das Problem nicht oder ignoriert es
  • Wenig Interesse am schulischen Geschehen
  • Reagiert erst bei Versetzungsgefährdung

→ Kind ist allein. Probleme eskalieren unbemerkt.

Strategien für mehr Mitarbeit

So erreichst du dein Kind:

1

Zuhören und verstehen

Finde heraus, was los ist. Nicht anklagen, sondern fragen: 'Ich habe gehört, dass es im Unterricht nicht so gut läuft. Was ist los?' Höre zu, ohne zu urteilen.

💡 Manchmal dauert es mehrere Gespräche, bis das Kind sich öffnet.

2

Die wahre Ursache finden

Ist es Überforderung? Unterforderung? Konflikte? Emotionale Belastung? Die Lösung hängt von der Ursache ab. Falsche Diagnose führt zu falscher Therapie.

💡 Beobachte: Ist es in allen Fächern oder nur bestimmten? Seit wann? Was hat sich verändert?

3

Mit der Schule sprechen

Hol die Perspektive der Lehrer ein. Was beobachten sie? Gibt es Muster? Arbeitet gemeinsam an Lösungen statt gegeneinander.

💡 Sachlich bleiben – Lehrer sind Partner, nicht Feinde.

4

Kleine Erfolge ermöglichen

Wenn Überforderung der Grund ist: Hilf bei den Grundlagen, ermögliche Erfolgserlebnisse. Wer Erfolg hat, ist motivierter mitzuarbeiten.

💡 Nachhilfe oder Förderung kann helfen, den Anschluss zu finden.

5

Sinn vermitteln

Bei 'Wozu soll ich das lernen?': Zeige Verbindungen zum echten Leben. Manchmal hilft auch ehrliche Antwort: 'Nicht alles ist spannend, aber manche Dinge muss man trotzdem können.'

💡 Intrinsische Motivation ist besser als extrinsische – aber manchmal braucht es beides.

6

Beziehung zum Lehrer verbessern

Wenn die Beziehung zum Lehrer ein Problem ist: Gespräch suchen, Missverständnisse klären. Manchmal hilft ein Neuanfang.

💡 Kind ermutigen, kleine positive Schritte zu machen: Blickkontakt, mal melden.

7

Emotionale Belastungen angehen

Wenn andere Probleme (Mobbing, Angst, Familienprobleme) im Vordergrund stehen: Diese zuerst angehen. Lernen funktioniert nicht unter extremem Stress.

💡 Manchmal braucht das Kind erst emotionale Entlastung, bevor es lernen kann.

8

Klare Erwartungen + Unterstützung

Es ist okay, Erwartungen zu haben: 'Ich erwarte, dass du mitarbeitest.' Aber begleite das mit Unterstützung: 'Und ich helfe dir dabei.'

💡 Weder Laissez-faire noch Zwang – sondern begleitete Verantwortung.

9

Professionelle Hilfe bei Bedarf

Bei anhaltender Verweigerung, Verdacht auf Depression, Lernschwächen oder andere Ursachen: Such professionelle Hilfe.

💡 Frühzeitiges Handeln verhindert, dass sich die Situation verfestigt.

Hilfreiche Sätze

Diese Formulierungen öffnen Gespräche:

  • 'Ich habe gehört, dass es gerade nicht so gut läuft. Was ist los?'
  • 'Ich bin nicht hier, um zu schimpfen. Ich will verstehen.'
  • 'Was würde dir helfen, besser mitzumachen?'
  • 'Gibt es etwas, das dir das Lernen schwer macht?'
  • 'Ich glaube an dich. Lass uns gemeinsam schauen, was du brauchst.'
  • 'Es ist okay, wenn etwas schwer ist. Das können wir ändern.'

Sätze, die kontraproduktiv sind

Diese Aussagen verschließen das Kind oft:

  • 'Du bist einfach faul!' – Etikettierung hilft nicht
  • 'Du könntest, wenn du wolltest!' – Ignoriert mögliche Probleme
  • 'Mit der Einstellung wirst du nichts!' – Drohung und Beschämung
  • 'Warum bist du nicht wie dein Bruder?' – Vergleich verletzt
  • 'Mir ist es egal, ich habe alles versucht!' – Signalisiert Aufgabe
  • 'Dann bleibst du halt sitzen!' – Drohung statt Hilfe

Wie ernst ist die Situation?

🟢

Gelegentliche Lustlosigkeit

Kind arbeitet in manchen Fächern/Phasen weniger mit, aber grundsätzlich engagiert, keine größeren Probleme, Ursache erkennbar (z.B. ein schwieriges Fach)

🟡

Deutliche Verweigerung

Kind arbeitet regelmäßig nicht mit, Noten verschlechtern sich, Beschwerden der Lehrer häufen sich, Kind wirkt unmotiviert oder belastet

🔴

Professionelle Hilfe empfohlen

Totale Verweigerung über längere Zeit, Kind zeigt Anzeichen von Depression oder starker Belastung, Schulvermeidung, kompletter Rückzug, Versetzung gefährdet

🩺Wann professionelle Hilfe sinnvoll ist

Zögere nicht, Unterstützung zu suchen:

  • !Die Verweigerung besteht über längere Zeit ohne Besserung
  • !Du vermutest eine Lernschwäche oder ADHS
  • !Das Kind zeigt Anzeichen von Depression oder starker Belastung
  • !Es gibt Hinweise auf Mobbing oder andere soziale Probleme
  • !Die Versetzung ist ernsthaft gefährdet
  • !Die Beziehung zwischen euch leidet unter dem Thema
  • !Du hast vieles versucht ohne Erfolg
📞

Anlaufstellen

In der Schule: Klassenleitung, Schulberatung, Schulpsychologie Therapeutisch: Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie, Erziehungsberatung Bei Lernschwächen: SPZ, Lerntherapie, Diagnostik Bei ADHS-Verdacht: Kinderarzt, Kinder- und Jugendpsychiater

Häufig gestellte Fragen

Ein Kind, das nicht mitarbeitet, sendet eine Botschaft. Unsere Aufgabe ist es, zuzuhören, nicht zu bestrafen.

Ross Greene

Wie motivierst du dein Kind?

Dein Erziehungsstil beeinflusst, wie du auf Verweigerung reagierst. Setzt du auf Druck oder auf Verständnis? Suchst du nach Ursachen oder bestrafst du? Wenn du deinen Stil kennst, kannst du bewusster handeln.

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