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Schule👶 6-16 Jahre📖 16 Min. Lesezeit

Kind ist in der Schule überfordert – Anzeichen und Hilfe

Wenn dein Kind jeden Abend über Hausaufgaben weint, den Stoff einfach nicht versteht und immer mehr den Anschluss verliert, ist das für alle Beteiligten belastend. Schulische Überforderung ist real – aber es gibt Wege, dein Kind zu unterstützen.

In diesem Artikel erfährst du:

  • 1Woran du erkennst, dass dein Kind überfordert ist
  • 2Die häufigsten Ursachen für schulische Überforderung
  • 3Wie Überforderung sich auf dein Kind auswirkt
  • 4Die 4 Erziehungsstile und ihr Umgang mit dem Thema
  • 5Konkrete Strategien zur Unterstützung
  • 6Wann professionelle Hilfe sinnvoll ist

Was bedeutet schulische Überforderung?

Überforderung liegt vor, wenn die Anforderungen der Schule die aktuellen Fähigkeiten und Ressourcen eines Kindes dauerhaft übersteigen.

Wichtig zu unterscheiden:

Punktuelle Schwierigkeiten:
Jedes Kind hat mal Probleme mit einem Thema oder einer schlechten Phase. Das ist normal und kein Grund zur Sorge.

Echte Überforderung:
- Dauerhaft hinter dem Klassenniveau
- Der Stoff wird trotz Anstrengung nicht verstanden
- Lücken wachsen immer weiter
- Das Kind erscheint hilflos und frustriert
- Die Probleme betreffen mehrere Fächer oder sind sehr hartnäckig

Überforderung kann verschiedene Bereiche betreffen:
- Kognitiv: Der Stoff ist zu schwer, das Tempo zu schnell
- Organisatorisch: Das Kind kann sich nicht selbst strukturieren
- Emotional: Der Druck ist zu groß, Stress zu hoch
- Sozial: Schwierigkeiten mit Mitschülern oder Lehrern belasten zusätzlich

Überforderung ist keine Schande:
Sie bedeutet nicht, dass dein Kind 'dumm' ist. Sie bedeutet, dass eine Passung zwischen Anforderung und aktuellen Möglichkeiten nicht stimmt – und das lässt sich ändern.

Woran erkennst du Überforderung?

Die Anzeichen können vielfältig sein:

Schulische Anzeichen:
- Noten verschlechtern sich deutlich
- Kind versteht den Stoff häufig nicht
- Hausaufgaben dauern extrem lang
- Kind kann einfache Aufgaben nicht lösen, die Mitschüler schaffen
- Wachsende Lücken, die sich nicht schließen

Emotionale Anzeichen:
- Frustration und Tränen bei Schulthemen
- Geringes Selbstwertgefühl: 'Ich bin zu dumm'
- Resignation: 'Ich schaffe das eh nicht'
- Ängstlichkeit vor der Schule
- Reizbarkeit und Stimmungsschwankungen

Verhaltens-Anzeichen:
- Vermeidet Schulthemen
- Will nicht mehr zur Schule
- Zieht sich zurück
- Psychosomatische Beschwerden (Bauchschmerzen, Kopfschmerzen)
- Bei älteren Kindern: Rückzug, Motivationsverlust

Körperliche Anzeichen:
- Schlafprobleme
- Appetitveränderungen
- Häufige Krankheiten
- Erschöpfung

Unterschiedliche Perspektiven

Kind und Eltern erleben die Situation oft sehr unterschiedlich:

Dein Kind erlebt:

  • Ich verstehe das einfach nicht, egal wie oft ich es lese
  • Die anderen können das alle – nur ich nicht
  • Ich bin bestimmt dumm
  • Jeder Tag ist ein Kampf
  • Ich habe Angst vor schlechten Noten
  • Ich schäme mich, Fragen zu stellen
  • Ich will gar nicht mehr in die Schule

Du als Elternteil erlebst:

  • Warum versteht mein Kind das nicht?
  • Ich erkläre es immer wieder – es hilft nicht
  • Ist mein Kind auf der richtigen Schule?
  • Mache ich etwas falsch?
  • Soll ich mehr üben oder weniger Druck machen?
  • Ich mache mir Sorgen um die Zukunft
  • Der Stress belastet die ganze Familie

💡Überforderung ist kein Charakterfehler und kein Zeichen von Faulheit. Wenn ein Kind trotz Anstrengung nicht mitkommt, braucht es Unterstützung – keine Vorwürfe.

Mögliche Ursachen für Überforderung

Überforderung kann viele Gründe haben:

1. Falsche Schulform:
Das Kind ist auf einer Schule, die nicht zu seinen aktuellen Fähigkeiten passt (z.B. Gymnasium bei Realschulniveau).

2. Lücken im Grundwissen:
Ein Thema wurde nicht verstanden, darauf baut aber alles Weitere auf. Die Lücken werden immer größer.

3. Lernschwächen:
- Legasthenie (Lese-Rechtschreib-Schwäche)
- Dyskalkulie (Rechenschwäche)
- Auditive oder visuelle Verarbeitungsstörungen

4. Konzentrationsstörungen:
- ADHS
- Generelle Konzentrationsprobleme

5. Emotionale Belastungen:
- Probleme zu Hause (Scheidung, Konflikte)
- Mobbing oder soziale Schwierigkeiten
- Ängste oder Depression

6. Unerkannte Hochbegabung:
Überraschenderweise können auch hochbegabte Kinder unterfordert sein und dann scheitern, weil sie nie gelernt haben zu lernen.

7. Schulische Faktoren:
- Zu schnelles Tempo
- Unpassende Lehrmethoden
- Zu große Klassen, wenig individuelle Förderung

8. Entwicklungsstand:
Manche Kinder brauchen einfach mehr Zeit – sie sind 'Spätzünder', die später aufholen.

🔍

Lernschwächen – oft unerkannt

Etwa 5-10% aller Kinder haben eine Lernschwäche wie Legasthenie oder Dyskalkulie. Diese sind nicht sichtbar und werden oft als 'Faulheit' oder 'mangelnde Intelligenz' fehlinterpretiert. Wenn dein Kind trotz Anstrengung in Lesen, Schreiben oder Rechnen nicht vorankommt, sollte eine Diagnostik in Betracht gezogen werden. Mit der richtigen Förderung können Kinder mit Lernschwächen sehr erfolgreich sein.

Typische Elternfehler bei Überforderung

Diese gut gemeinten Reaktionen können das Problem verschärfen:

  • Mehr Druck: 'Du musst nur mehr lernen!' – wenn das Kind den Stoff nicht versteht, hilft Druck nicht
  • Zu viel nachholen wollen: Überlastung führt zu Erschöpfung und noch mehr Frust
  • Vorwürfe machen: 'Du bist einfach zu faul!' – beschädigt das Selbstwertgefühl
  • Vergleichen: 'Deine Schwester konnte das auch!' – demütigt und hilft nicht
  • Die Schuld bei der Schule suchen: Ohne die eigentliche Ursache zu finden
  • Alles für das Kind machen: Hausaufgaben übernehmen löst das Problem nicht
  • Das Problem ignorieren: In der Hoffnung, dass es sich auswächst

Wie die 4 Erziehungsstile mit Überforderung umgehen

Der Erziehungsstil beeinflusst, wie Eltern auf schulische Schwierigkeiten reagieren:

Empfohlen
🌿

Autoritativ

Wärme + klare Grenzen

  • Nimmt das Problem ernst, ohne zu dramatisieren
  • Sucht nach den Ursachen (Lücken, Lernschwäche, emotionale Faktoren)
  • Vermittelt: 'Du bist nicht dumm – wir finden heraus, was du brauchst'
  • Holt professionelle Hilfe (Diagnostik, Nachhilfe, Lerntherapie)
  • Kommuniziert konstruktiv mit der Schule
  • Passt Erwartungen realistisch an
  • Stärkt das Selbstwertgefühl unabhängig von Noten

→ Kind fühlt sich unterstützt und erfährt, dass Schwierigkeiten überwindbar sind.

🏛️

Autoritär

Strenge + wenig Emotionen

  • Reagiert mit Druck: 'Du musst mehr lernen!'
  • Sieht Überforderung als mangelnde Anstrengung
  • Bestraft schlechte Noten
  • Wenig Verständnis für emotionale Auswirkungen
  • Hohe Erwartungen trotz offensichtlicher Schwierigkeiten

→ Kind gibt auf, Selbstwert sinkt, Beziehung leidet.

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Permissiv

Viel Wärme, wenige Grenzen

  • Tröstet, aber wird nicht aktiv
  • Macht Ausreden für das Kind
  • Übernimmt Aufgaben, statt zu fördern
  • Konfrontiert die Schule nicht konstruktiv
  • Senkt alle Erwartungen

→ Kind fühlt sich geliebt, aber nicht gefördert. Probleme bleiben ungelöst.

🍃

Laissez-faire

Wenig Struktur, wenig Führung

  • Bemerkt das Problem spät oder gar nicht
  • Wenig Interesse an schulischen Themen
  • Überlässt das Kind sich selbst
  • Reagiert erst bei akuten Krisen

→ Kind ist allein und überfordert. Langfristige Nachteile sind wahrscheinlich.

Was du konkret tun kannst

Schritte zur Unterstützung bei schulischer Überforderung:

1

Ruhe bewahren

Überforderung ist ein Problem – aber eines, das lösbar ist. Panik oder Dramatisierung helfen nicht. Signalisiere deinem Kind: 'Wir finden zusammen einen Weg.'

💡 Deine Ruhe gibt deinem Kind Sicherheit.

2

Ursachen suchen

Finde heraus, warum dein Kind überfordert ist. Sind es Wissenslücken? Eine Lernschwäche? Emotionale Belastung? Ohne Ursachenkenntnis ist gezielte Hilfe schwierig.

💡 Sprich mit dem Kind, den Lehrern, und ziehe bei Bedarf eine Diagnostik in Betracht.

3

Mit der Schule sprechen

Kontaktiere die Lehrkräfte. Frage nach: Wie schätzen sie die Situation ein? Wo liegen die Schwierigkeiten? Welche Förderung ist möglich? Die Schule ist Partner, nicht Gegner.

💡 Dokumentiere Gespräche und getroffene Vereinbarungen.

4

Diagnostik in Betracht ziehen

Bei Verdacht auf Lernschwäche (Legasthenie, Dyskalkulie), ADHS oder andere Ursachen: Lasse eine Diagnostik durchführen. SPZ, Schulpsychologie oder niedergelassene Therapeuten können testen.

💡 Eine Diagnose ist kein Stigma, sondern der Schlüssel zu gezielter Hilfe.

5

Passende Förderung finden

Je nach Ursache: Nachhilfe bei Wissenslücken, Lerntherapie bei Lernschwäche, Konzentrationstraining bei ADHS. Wähle eine Förderung, die zur Ursache passt.

💡 Qualität vor Quantität – ein guter Nachhilfelehrer ist wertvoller als viele Stunden.

6

Erwartungen anpassen

Vielleicht muss die Schulform überdacht werden. Das ist keine Niederlage! Ein Kind, das auf der richtigen Schule ist, kann erfolgreich sein und Selbstwert entwickeln. Überforderung auf der falschen Schule schadet langfristig mehr.

💡 Ein Wechsel von Gymnasium auf Realschule kann ein Neuanfang sein, keine Abwärtsspirale.

7

Selbstwert stärken

Dein Kind ist mehr als seine Noten. Stärke seine anderen Fähigkeiten, ermögliche Erfolgserlebnisse außerhalb der Schule, zeige bedingungslose Annahme.

💡 'Du bist toll – egal was auf dem Zeugnis steht.'

8

Struktur geben

Hilf bei der Organisation: Feste Lernzeiten, Aufgaben in kleine Schritte teilen, Lernplan erstellen. Viele überforderte Kinder können sich nicht selbst strukturieren.

💡 Visualisiere Fortschritte – kleine Erfolge motivieren.

9

Geduld haben

Überforderung löst sich nicht über Nacht. Es braucht Zeit, Lücken zu schließen und neues Selbstvertrauen aufzubauen. Feiere kleine Fortschritte.

💡 Der Weg ist oft nicht linear – Rückschläge gehören dazu.

Hilfreiche Sätze

Diese Formulierungen unterstützen dein Kind:

  • 'Du bist nicht dumm. Jeder lernt anders und braucht unterschiedliche Hilfe.'
  • 'Wir finden gemeinsam heraus, was dir hilft.'
  • 'Ich bin stolz auf dich für deine Anstrengung, nicht nur für Noten.'
  • 'Es ist okay, wenn etwas schwer ist. Das heißt nicht, dass du es nie schaffen wirst.'
  • 'Lass uns in kleinen Schritten vorgehen.'
  • 'Deine Noten sagen nichts darüber aus, wer du als Mensch bist.'
  • 'Wir holen uns Hilfe – das ist klug, nicht peinlich.'

Sätze, die vermieden werden sollten

Diese Aussagen können schaden:

  • 'Du musst dich einfach mehr anstrengen!' – Wenn das Kind sich anstrengt, aber nicht kann
  • 'Das ist doch nicht so schwer!' – Entwertet die echte Schwierigkeit
  • 'Dein Bruder/deine Freundin kann das auch!' – Vergleich verletzt
  • 'Mit der Einstellung wird das nie was!' – Beschuldigt das Kind
  • 'Du bist einfach zu faul!' – Zerstört das Selbstwertgefühl
  • 'Wenn du dir nicht mehr Mühe gibst, wirst du nie etwas erreichen!' – Drohung und Druck

Wie ernst ist die Situation?

🟢

Punktuelle Schwierigkeiten

Kind hat in einem Fach oder Thema Probleme, kommt aber insgesamt mit, keine emotionale Belastung, Lücken sind überschaubar und mit Übung zu schließen

🟡

Deutliche Überforderung

Kind kommt in mehreren Fächern nicht mit, Noten verschlechtern sich deutlich, emotionale Belastung ist erkennbar (Frust, Tränen, Vermeidung), Lücken wachsen trotz Bemühung

🔴

Akuter Handlungsbedarf

Kind ist dauerhaft massiv überfordert, Schulverweigerung oder psychosomatische Beschwerden, Selbstwert stark beschädigt, Kind zeigt Anzeichen von Depression oder starker Angst, Versetzung gefährdet oder nicht erreicht

🩺Wann professionelle Hilfe nötig ist

Zögere nicht, Unterstützung zu suchen:

  • !Die Überforderung besteht trotz Bemühungen über längere Zeit
  • !Du vermutest eine Lernschwäche (Legasthenie, Dyskalkulie)
  • !Es gibt Anzeichen für ADHS oder Konzentrationsstörungen
  • !Dein Kind zeigt psychische Symptome (Angst, Depression, psychosomatische Beschwerden)
  • !Die Situation belastet die ganze Familie
  • !Die Versetzung ist gefährdet
  • !Du weißt nicht mehr, wie du helfen kannst
  • !Ein Schulwechsel steht im Raum
📞

Anlaufstellen

Bei Verdacht auf Lernschwäche/ADHS: - SPZ (Sozialpädiatrisches Zentrum) - Schulpsychologie - Kinder- und Jugendpsychiater - Integrative Lerntherapie Für Förderung: - Nachhilfe (qualifiziert) - Lerntherapie - Schulische Förderprogramme Beratung: - Erziehungsberatungsstellen - Schulberatung - Elterntelefon: 0800 111 0550

Häufig gestellte Fragen

Wenn ein Kind nicht so lernen kann, wie wir es lehren, sollten wir so lehren, wie das Kind es lernen kann.

Ignacio Estrada

Wie gehst du mit schulischen Schwierigkeiten um?

Dein Erziehungsstil beeinflusst, wie du auf schulische Probleme deines Kindes reagierst. Machst du Druck oder lässt du es laufen? Suchst du Hilfe oder wartest du ab? Wenn du deinen Stil kennst, kannst du bewusster handeln.

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