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Schule👶 6-18 Jahre📖 16 Min. Lesezeit

Kind hat Prüfungsangst – Symptome erkennen und Angst überwinden

Der Stoff sitzt, zu Hause klappt alles – aber in der Klassenarbeit: Blackout. Prüfungsangst kann selbst gut vorbereitete Kinder ausbremsen. Die gute Nachricht: Prüfungsangst ist überwindbar. Mit den richtigen Strategien kann dein Kind lernen, entspannter in Tests zu gehen.

In diesem Artikel erfährst du:

  • 1Was Prüfungsangst ist und wie sie entsteht
  • 2Die körperlichen und psychischen Symptome
  • 3Warum manche Kinder mehr Prüfungsangst haben als andere
  • 4Die 4 Erziehungsstile und ihr Einfluss auf Prüfungsangst
  • 5Konkrete Strategien gegen Prüfungsangst
  • 6Wann professionelle Hilfe sinnvoll ist

Was ist Prüfungsangst?

Prüfungsangst ist eine spezifische Form der Leistungsangst. Sie tritt vor und während Prüfungssituationen auf – Klassenarbeiten, mündliche Prüfungen, Tests, Referate.

Prüfungsangst umfasst:
- Sorge vor dem Ergebnis: 'Was wenn ich durchfalle? Was denken die anderen?'
- Angst vor dem Versagen: 'Ich werde es nicht schaffen.'
- Körperliche Reaktionen: Herzklopfen, Schwitzen, Übelkeit
- Gedächtnis-Blockaden: Der 'Blackout' – das Gelernte ist plötzlich weg

Wichtig zu verstehen:
Ein gewisses Maß an Anspannung vor Prüfungen ist normal und sogar hilfreich – es erhöht die Aufmerksamkeit. Problematisch wird es, wenn die Angst so stark ist, dass sie die Leistung beeinträchtigt.

Prüfungsangst ist nicht:
- Faulheit oder mangelnde Vorbereitung
- Ausrede für schlechte Noten
- Übertreibung oder Anstellerei

Es ist eine echte Angst mit echten körperlichen Reaktionen, die das Kind nicht willentlich kontrollieren kann.

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Der Blackout – Was passiert im Gehirn?

Bei starker Angst schüttet der Körper Stresshormone aus (Adrenalin, Cortisol). Das aktiviert den 'Kampf-oder-Flucht-Modus'. In diesem Zustand wird der präfrontale Kortex – zuständig für rationales Denken und Gedächtnisabruf – heruntergefahren. Das Ergebnis: Der Zugang zum Gelernten ist blockiert, obwohl das Wissen da ist. Nach der Prüfung, wenn die Angst nachlässt, kommt das Wissen zurück.

Symptome von Prüfungsangst

Prüfungsangst äußert sich auf verschiedenen Ebenen:

Körperliche Symptome:
- Herzklopfen, Herzrasen
- Schwitzen (besonders Hände)
- Übelkeit, Bauchschmerzen, Durchfall
- Zittern
- Schlafstörungen vor Prüfungen
- Kopfschmerzen
- Trockener Mund, Würgegefühl

Kognitive Symptome (Gedanken):
- 'Ich werde versagen.'
- 'Alle werden sehen, dass ich dumm bin.'
- 'Ich habe alles vergessen.'
- Blackout – kann sich nicht an Gelerntes erinnern
- Konzentrationsschwierigkeiten
- Gedankenkreisen

Emotionale Symptome:
- Angst und Panik
- Hilflosigkeit
- Scham
- Verzweiflung

Verhaltens-Symptome:
- Vermeidung (krank melden vor Prüfungen)
- Übermäßiges Lernen (ohne dass es hilft)
- Prokrastination (Lernen aufschieben)
- Unruhe, nicht stillsitzen können

Wann treten die Symptome auf?
- Tage oder Stunden vor der Prüfung
- Auf dem Weg zur Schule
- Beim Austeilen der Aufgaben
- Während der Prüfung

Wie Prüfungsangst erlebt wird

Die Perspektiven unterscheiden sich:

Dein Kind erlebt:

  • Mein Herz rast, mir ist übel – das ist echt!
  • Ich weiß alles, aber in der Prüfung ist es weg
  • Alle werden sehen, dass ich versagt habe
  • Ich schäme mich so für meine Angst
  • Ich will gar nicht erst hingehen
  • Egal wie viel ich lerne, die Angst bleibt

Du als Elternteil erlebst:

  • Er hat doch gelernt – warum schreibt er so schlecht?
  • Ist das echte Angst oder Ausrede?
  • Ich weiß nicht, wie ich helfen soll
  • Der Druck in der Schule ist so hoch
  • Soll ich mehr üben oder weniger Druck machen?
  • Ich will nicht, dass mein Kind so leidet

💡Prüfungsangst bedeutet nicht, dass dein Kind 'überempfindlich' ist. Es bedeutet, dass das Gehirn in einen Alarmmodus schaltet, der das Abrufen von Wissen blockiert. Die Angst zu überwinden erfordert Training – nicht Vorwürfe.

Warum haben manche Kinder mehr Prüfungsangst?

Verschiedene Faktoren tragen zu Prüfungsangst bei:

1. Negative Erfahrungen:
Eine besonders schlechte Note, Blamage vor der Klasse, abwertende Kommentare können prägend sein.

2. Hoher Leistungsdruck:
- Von Eltern: 'Du musst gute Noten haben!'
- Vom System: Übertritt, Empfehlungen, Rankings
- Selbstgemacht: Perfektionismus, hohe eigene Ansprüche

3. Persönlichkeit:
- Perfektionismus
- Geringes Selbstwertgefühl
- Generelle Ängstlichkeit
- Hohe Sensibilität

4. Familiäre Faktoren:
- Eigene Angst der Eltern (wird übertragen)
- Sehr hohe Erwartungen
- Viel Reden über Leistung und Noten
- Wenig Anerkennung unabhängig von Leistung

5. Ungünstige Lernstrategien:
- Zu wenig oder zu chaotische Vorbereitung
- Lernen ohne Verständnis (nur Auswendiglernen)
- Keine Prüfungssimulation

6. Unerkannte Lernschwächen:
- Legasthenie, Dyskalkulie
- ADHS
- Diese können zu wiederholtem Versagen führen, das Angst auslöst

Typische Fehler von Eltern

Diese gut gemeinten Verhaltensweisen können Prüfungsangst verstärken:

  • Druck machen: 'Du MUSST das schaffen!' – erhöht die Angst
  • Noten überbewerten: 'Deine Note zeigt, wie gut du bist' – bindet Selbstwert an Leistung
  • Eigene Angst zeigen: Nervosität überträgt sich auf das Kind
  • Vergleichen: 'Dein Bruder hatte nie Probleme...'
  • Die Angst kleinreden: 'Stell dich nicht so an!' – entwertet die Erfahrung
  • Zu viel über Prüfungen reden: Verstärkt den Fokus auf das Angstauslösende
  • Übermäßig helfen: Nimmt dem Kind das Gefühl, es selbst schaffen zu können
  • Strafen für schlechte Noten: Verstärkt die Angst vor Versagen

Wie die 4 Erziehungsstile mit Prüfungsangst umgehen

Der Erziehungsstil beeinflusst, wie viel Druck das Kind empfindet:

Empfohlen
🌿

Autoritativ

Wärme + klare Grenzen

  • Nimmt die Angst ernst und zeigt Verständnis
  • Vermittelt: 'Noten sind nicht alles. Du bist mehr als deine Leistung.'
  • Hilft bei guter Vorbereitung ohne zu drängen
  • Lehrt Strategien gegen Angst (Atmung, positive Gedanken)
  • Feiert Anstrengung, nicht nur Ergebnisse
  • Bleibt ruhig vor Prüfungen und überträgt keine eigene Nervosität
  • Sucht bei Bedarf professionelle Hilfe

→ Kind fühlt sich angenommen unabhängig von Noten. Die beste Basis, um Prüfungsangst zu überwinden.

🏛️

Autoritär

Strenge + wenig Emotionen

  • Hohe Erwartungen: 'Weniger als 2 ist nicht akzeptabel!'
  • Wenig Verständnis für 'Nervosität'
  • Strafen oder Enttäuschung bei schlechten Noten
  • Fokus auf Ergebnis, nicht auf Prozess
  • Druck statt Unterstützung

→ Prüfungsangst wird verstärkt. Kind lernt: 'Mein Wert hängt von meiner Leistung ab.'

☀️

Permissiv

Viel Wärme, wenige Grenzen

  • Entschuldigt das Kind, wenn es nicht zur Prüfung will
  • Tröstet, aber hilft nicht bei Strategien
  • Vermeidet Konfrontation mit dem Angstauslöser
  • Übernimmt zu viel bei der Vorbereitung
  • Hält alle Frustration vom Kind fern

→ Kind lernt nicht, mit Angst umzugehen. Vermeidung verstärkt die Angst langfristig.

🍃

Laissez-faire

Wenig Struktur, wenig Führung

  • Wenig Interesse an schulischen Themen
  • Bemerkt die Prüfungsangst nicht oder ignoriert sie
  • Keine Unterstützung bei Vorbereitung oder Umgang
  • Kind ist auf sich allein gestellt

→ Kind fühlt sich allein mit seiner Angst. Keine Strategien werden vermittelt.

Strategien gegen Prüfungsangst

So hilfst du deinem Kind, entspannter in Prüfungen zu gehen:

1

Die Angst anerkennen

Sage nicht 'Du brauchst keine Angst haben!' – das hilft nicht. Stattdessen: 'Ich sehe, dass du Angst hast. Das ist unangenehm, aber du kannst lernen, damit umzugehen.'

💡 Die Angst zu benennen nimmt ihr oft schon etwas Macht.

2

Selbstwert von Noten trennen

Vermittle deinem Kind: 'Du bist liebenswert und wertvoll – unabhängig von jeder Note.' Zeige Interesse an deinem Kind als Person, nicht nur an seinen Leistungen.

💡 Frage nach der Schule nicht nur 'Wie war der Test?' sondern 'Wie geht es dir?'

3

Gute Vorbereitung

Angst nimmt ab, wenn das Kind sich kompetent fühlt. Hilf bei effektiven Lernstrategien: früh anfangen, in Häppchen lernen, Verständnis statt Auswendiglernen, Probeklausuren.

💡 Übt die Prüfungssituation zu Hause: Timer stellen, Fragen wie in der Klassenarbeit.

4

Körperliche Techniken lehren

Der Körper kann die Angst beeinflussen. Atemübungen: 4 Sekunden einatmen, 4 Sekunden halten, 6 Sekunden ausatmen. Progressive Muskelentspannung. Diese Techniken in ruhigen Momenten üben, damit sie in der Prüfung abrufbar sind.

💡 Übt die Atemtechnik mehrmals täglich, damit sie automatisch wird.

5

Positive Selbstgespräche

Negative Gedanken durch konstruktive ersetzen: Statt 'Ich schaffe das nie!' → 'Ich habe gelernt und bin vorbereitet.' Statt 'Alle werden sehen, dass ich dumm bin.' → 'Jeder macht mal Fehler.'

💡 Schreibt die positiven Sätze auf Kärtchen, die das Kind vor der Prüfung lesen kann.

6

Prüfungssituation simulieren

Zu Hause unter prüfungsähnlichen Bedingungen üben: Timer stellen, keine Hilfsmittel, allein arbeiten. Das Gehirn gewöhnt sich an die Situation, und die Angst nimmt ab.

💡 Nach der Simulation: Nicht nur Ergebnis besprechen, sondern auch: 'Wie hast du dich gefühlt?'

7

Routinen für den Prüfungstag

Morgens kein Chaos: Alles am Abend vorbereiten, früh aufstehen, gutes Frühstück, ruhiger Abschied. Keine Last-Minute-Lernerei – das erhöht die Angst.

💡 Ein kleines Ritual kann helfen: Lieblingsstift, Glücksbringer, ermutigende Worte.

8

In der Prüfung: Strategie

Erst durchatmen, dann Aufgaben überfliegen, mit einer leichten beginnen (Erfolgserlebnis), bei Blackout weitermachen und später zurückkommen.

💡 Übt diese Strategie zu Hause bei Probeklausuren.

9

Nach der Prüfung: Richtig reagieren

Egal wie es lief: Nicht dramatisieren. 'Du hast es hinter dich gebracht!' Nicht sofort nach der Note fragen. Nach dem Ergebnis: Fehler als Lernchance sehen, nicht als Versagen.

💡 'Was hast du bei dieser Prüfung gelernt?' statt 'Warum hast du das nicht gewusst?'

10

Professionelle Hilfe bei Bedarf

Wenn die Prüfungsangst stark ist und die obigen Strategien nicht ausreichen: Schulpsychologie, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie. Kognitive Verhaltenstherapie ist bei Prüfungsangst sehr wirksam.

💡 Frühzeitige Hilfe verhindert, dass sich die Angst verfestigt.

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Die 4-7-8 Atemtechnik

Eine wirksame Technik zur Beruhigung: 1. Einatmen durch die Nase (4 Sekunden) 2. Atem anhalten (7 Sekunden) 3. Langsam durch den Mund ausatmen (8 Sekunden) 4. 3-4 Mal wiederholen Das aktiviert das parasympathische Nervensystem und beruhigt den Körper. Übt diese Technik regelmäßig, damit dein Kind sie in der Prüfung automatisch anwenden kann.

Hilfreiche Sätze

Diese Formulierungen unterstützen dein Kind:

  • 'Ich sehe, dass du nervös bist. Das ist normal.'
  • 'Du hast gut gelernt. Du bist vorbereitet.'
  • 'Egal wie es läuft – ich bin stolz auf dich.'
  • 'Noten sind nicht alles. Du bist so viel mehr.'
  • 'Es ist nur ein Test. Er zeigt nicht, wer du bist.'
  • 'Atme tief durch. Du schaffst das.'
  • 'Jede Prüfung ist eine Übung – auch im Umgang mit Nervosität.'

Sätze, die kontraproduktiv sind

Diese Aussagen können die Angst verstärken:

  • 'Du brauchst keine Angst haben!' – Die Angst ist trotzdem da
  • 'Das ist doch nicht so wichtig!' – Entwertet die Erfahrung des Kindes
  • 'Wenn du nicht gut bist, dann...' – Drohung erhöht Druck
  • 'Dein Bruder hatte nie Probleme!' – Vergleich verletzt
  • 'Du hast doch gelernt, also muss es klappen!' – Erhöht den Druck
  • 'Stell dich nicht so an!' – Beschämt das Kind
  • 'Mit der Einstellung klappt es nie!' – Negativität

Wie stark ist die Prüfungsangst?

🟢

Normale Prüfungsnervosität

Etwas Nervosität vor wichtigen Tests, aber Kind kann trotzdem arbeiten, keine Blackouts, Leistung entspricht dem Wissensstand, kurze Erholung nach der Prüfung

🟡

Erhöhte Prüfungsangst

Deutliche körperliche Symptome (Bauchschmerzen, Schlafstörungen), gelegentliche Blackouts, Leistung schlechter als der Wissensstand, starke Belastung vor Prüfungen, Vermeidungstendenzen

🔴

Schwere Prüfungsangst

Starke körperliche Symptome (Panik, Erbrechen), regelmäßige Blackouts, deutlicher Leistungsabfall, Schulvermeidung vor Prüfungen, generalisierte Angst, depressive Symptome

🩺Wann professionelle Hilfe nötig ist

Zögere nicht, Unterstützung zu suchen:

  • !Die Prüfungsangst ist so stark, dass sie die Leistung deutlich beeinträchtigt
  • !Dein Kind vermeidet Prüfungssituationen (krank melden, Schule schwänzen)
  • !Körperliche Symptome sind stark (Panikattacken, Erbrechen)
  • !Die Angst breitet sich auf andere Bereiche aus
  • !Dein Kind zeigt Anzeichen von Depression
  • !Trotz aller Strategien bessert sich nichts
  • !Die Angst besteht seit langem und verfestigt sich
  • !Das Selbstwertgefühl leidet stark
📞

Anlaufstellen

In der Schule: Klassenleitung, Vertrauenslehrer, Schulpsychologie Therapeutische Hilfe: Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut (Kognitive Verhaltenstherapie ist besonders wirksam bei Prüfungsangst) Beratung: Erziehungsberatungsstellen, Schulberatung

Häufig gestellte Fragen

Prüfungen sind Momentaufnahmen – sie zeigen nicht, wer du bist, sondern nur, was du an diesem Tag unter Druck abrufen konntest.

Unbekannt

Wie gehst du mit Leistung und Noten um?

Dein Erziehungsstil beeinflusst, wie viel Druck dein Kind empfindet. Sind Noten sehr wichtig für dich? Wie reagierst du auf schlechte Ergebnisse? Wenn du deinen Stil kennst, kannst du bewusster handeln.

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