Kind wird in der Schule ausgeschlossen – Was Eltern tun können
'Die anderen wollen nicht mit mir spielen.' Diese Worte brechen Elternherzen. Soziale Ausgrenzung ist eine der schmerzhaftesten Erfahrungen, die ein Kind machen kann. Aber du bist nicht machtlos – es gibt Wege, dein Kind zu unterstützen.
In diesem Artikel erfährst du:
- 1Warum Kinder andere ausschließen und was dahintersteckt
- 2Die psychologischen Auswirkungen von Ausgrenzung
- 3Wie du erkennst, ob dein Kind ausgeschlossen wird
- 4Die 4 Erziehungsstile und ihre Herangehensweise
- 5Konkrete Strategien, um die Situation zu verbessern
- 6Wann professionelle Hilfe sinnvoll ist
Warum schließen Kinder andere aus?
1. Gruppendynamik:
Kinder orientieren sich stark an der Gruppe. Wenn ein 'Anführer' beschließt, jemanden auszuschließen, machen andere oft mit – aus Angst, selbst ausgeschlossen zu werden.
2. Unsicherheit:
Kinder, die andere ausschließen, sind oft selbst unsicher. Sie erhöhen ihr eigenes Ansehen, indem sie andere 'kleiner' machen.
3. Wahrgenommene Unterschiede:
Kinder, die 'anders' wirken – sei es durch Aussehen, Verhalten, Interessen oder sozialen Hintergrund – werden eher ausgegrenzt.
4. Mangelnde soziale Kompetenz:
Manchmal fällt es dem ausgeschlossenen Kind schwer, soziale Signale zu lesen oder sich in die Gruppe einzufügen.
5. Negative Spirale:
Wenn ein Kind erstmal 'draußen' ist, wird es immer schwerer, wieder reinzukommen. Die Rolle verfestigt sich.
Wichtig zu verstehen:
Ausgrenzung ist oft subtil und schwerer zu erkennen als offenes Mobbing. Es gibt keine körperliche Gewalt, keine lauten Beleidigungen – aber der Schmerz ist genauso real.
Soziale Ausgrenzung und das Gehirn
Neurowissenschaftliche Studien zeigen: Soziale Ausgrenzung aktiviert dieselben Hirnregionen wie körperlicher Schmerz. Der sogenannte 'soziale Schmerz' ist real und messbar. Für Kinder, deren soziales Umfeld die Schule ist, ist diese Erfahrung besonders einschneidend – sie können dem nicht einfach ausweichen.
Zwei Perspektiven auf Ausgrenzung
Eltern und Kinder erleben die Situation oft sehr unterschiedlich:
Dein Kind erlebt:
- Ich bin anders als die anderen – irgendwas stimmt nicht mit mir
- Niemand will mit mir zusammen sein
- In der Pause bin ich immer allein
- Wenn ich zu einer Gruppe gehe, drehen sie sich weg
- Ich weiß nicht, was ich falsch mache
- Vielleicht bin ich einfach nicht liebenswert
Du als Elternteil erlebst:
- Ich spüre, dass mein Kind leidet
- Warum mögen die anderen mein Kind nicht?
- Ich würde so gerne helfen, aber ich kann ja nicht dabei sein
- Soll ich eingreifen oder es sich selbst regeln lassen?
- Bin ich schuld? Habe ich etwas falsch gemacht?
- Die Ohnmacht macht mich fertig
💜Ausgrenzung ist keine Aussage über den Wert deines Kindes. Sie sagt mehr über die Gruppendynamik aus als über dein Kind. Dein Kind ist liebenswert – auch wenn andere Kinder das gerade nicht sehen.
Woran erkennst du, dass dein Kind ausgeschlossen wird?
Direkte Hinweise:
- 'Niemand will mit mir spielen'
- 'Ich wurde nicht zur Party eingeladen'
- Erzählt nie von Freunden oder gemeinsamen Aktivitäten
- Wird nie zu anderen Kindern eingeladen
Indirekte Anzeichen:
- Will morgens nicht in die Schule
- Isst in der Pause allein oder kommt mittags hungrig nach Hause
- Fragt nach Klassenwechsel oder Schulwechsel
- Zieht sich zurück, ist trauriger als früher
- Beschäftigt sich viel allein, sucht keine Kontakte
Verhaltensänderungen:
- Wird ängstlicher oder aggressiver
- Schulleistungen verschlechtern sich
- Psychosomatische Beschwerden (Bauchschmerzen, Kopfschmerzen)
- Schlafprobleme
Bei älteren Kindern:
- Wird nicht in Klassenchats aufgenommen
- Sieht in sozialen Medien, dass andere sich treffen – ohne Einladung
Die Auswirkungen von Ausgrenzung
Kurzfristige Auswirkungen:
- Einsamkeit und Traurigkeit
- Sinkendes Selbstwertgefühl
- Konzentrationsprobleme in der Schule
- Angst vor sozialen Situationen
Langfristige Risiken (wenn nicht behandelt):
- Chronisch niedriges Selbstwertgefühl
- Soziale Ängste, die bis ins Erwachsenenalter reichen
- Höheres Risiko für Depression
- Schwierigkeiten, Beziehungen aufzubauen
Die gute Nachricht:
Mit der richtigen Unterstützung können Kinder diese Erfahrung bewältigen. Wichtig ist: Das Kind braucht mindestens eine Person, die an es glaubt und es bedingungslos annimmt. Das kannst du sein.
Mögliche Gründe, warum ein Kind ausgegrenzt wird
Diese Faktoren können eine Rolle spielen – aber keiner davon ist 'Schuld' des Kindes:
- •Neu in der Klasse: Bestehende Freundschaftsgruppen sind schwer zu durchbrechen
- •Anders sein: Interessen, Verhalten oder Aussehen weichen von der 'Norm' ab
- •Soziale Unsicherheit: Schwierigkeiten, Kontakt aufzunehmen oder Signale zu lesen
- •Besondere Begabung oder Förderung: Wird manchmal neidisch beäugt
- •Schüchternheit: Wird als Desinteresse fehlinterpretiert
- •Ungünstige Vorerfahrung: Einmal entstandene Rollen sind schwer zu ändern
- •Sensibilität: Sehr empfindsame Kinder wirken manchmal 'kompliziert' auf andere
💡Wichtig: Keiner dieser Faktoren rechtfertigt Ausgrenzung. Das Problem liegt bei der Dynamik der Gruppe, nicht beim Kind.
Typische Fehler von Eltern
Diese gut gemeinten Reaktionen können die Situation verschlimmern:
- ✗'Dann spiel halt mit anderen!' sagen: Ignoriert, dass das Kind genau das nicht kann
- ✗Andere Kinder oder Eltern beschuldigen: Führt oft zu Eskalation
- ✗Das Kind 'verbessern' wollen: Signalisiert, dass etwas falsch ist am Kind
- ✗Spielverabredungen erzwingen: Kind wird noch mehr abgelehnt, wenn es 'aufgedrückt' wird
- ✗Die Erfahrung kleinreden: 'Das ist doch nicht so schlimm' entwertet den Schmerz
- ✗Überbehüten: Kind lernt nicht, selbst Kontakte zu knüpfen
- ✗Nichts tun: In der Hoffnung, dass es sich von alleine löst
Wie die 4 Erziehungsstile mit Ausgrenzung umgehen
Der Erziehungsstil beeinflusst, wie Eltern ihr Kind bei sozialen Schwierigkeiten unterstützen:
Autoritativ
Wärme + klare Grenzen
- Hört aufmerksam zu und nimmt die Gefühle des Kindes ernst
- Vermittelt: 'Du bist liebenswert, auch wenn es sich gerade nicht so anfühlt'
- Analysiert sachlich mit dem Kind, was passiert
- Sucht aktiv nach Lösungen – gemeinsam mit dem Kind
- Ermöglicht Kontakte außerhalb der Schule
- Spricht bei Bedarf mit der Schule
- Stärkt die Kompetenzen des Kindes, ohne es zu 'reparieren'
→ Kind fühlt sich angenommen und unterstützt. Beste Voraussetzung für Resilienz.
Autoritär
Strenge + wenig Emotionen
- Reagiert mit: 'Sei nicht so empfindlich'
- Sucht nach Verhaltensweisen des Kindes, die 'schuld' sind
- Drängt das Kind, sich mehr anzustrengen oder 'anders' zu sein
- Wenig Verständnis für emotionale Bedürfnisse
- Sieht soziale Schwierigkeiten als Schwäche des Kindes
→ Kind fühlt sich noch wertloser und traut sich nicht mehr, Probleme zu teilen.
Permissiv
Viel Wärme, wenige Grenzen
- Tröstet intensiv, aber unternimmt wenig Konkretes
- Wird zum 'Ersatzfreund' des Kindes
- Vermeidet es, mit der Schule zu sprechen
- Lässt das Kind aus schwierigen Situationen 'fliehen'
- Stärkt nicht aktiv die sozialen Kompetenzen
→ Kind fühlt sich geliebt, aber nicht befähigt. Lernt keine Strategien.
Laissez-faire
Wenig Struktur, wenig Führung
- Bemerkt die Situation spät oder gar nicht
- Wenig Interesse am sozialen Leben des Kindes
- Überlässt das Kind sich selbst: 'Du musst das alleine regeln'
- Keine aktive Unterstützung oder Förderung sozialer Kontakte
→ Kind fühlt sich alleingelassen und entwickelt keine Bewältigungsstrategien.
Was du konkret tun kannst
So unterstützt du dein Kind bei Ausgrenzung:
Zuhören ohne zu werten
Gib deinem Kind Raum zu erzählen, ohne sofort Ratschläge zu geben oder die Situation zu bewerten. Zeige echtes Interesse: 'Erzähl mir mehr davon.' Nimm die Gefühle ernst.
💡 Manchmal braucht ein Kind einfach jemanden, der zuhört – nicht jemanden, der löst.
Gefühle validieren
Sage deinem Kind, dass seine Gefühle berechtigt sind: 'Das klingt wirklich schmerzhaft.' 'Ich verstehe, dass dich das traurig macht.' Entwerte nicht mit 'Das ist doch nicht so schlimm.'
💡 Gefühle zu benennen hilft Kindern, sie zu verarbeiten.
Den Selbstwert stärken
Erinnere dein Kind an seine Stärken und liebenswertenEigenschaften. Ausgrenzung führt oft zu dem Gedanken 'Mit mir stimmt etwas nicht'. Zeige, dass das nicht stimmt.
💡 Konkrete Beispiele sind besser als pauschale Aussagen: 'Du bist so kreativ beim Bauen' statt nur 'Du bist toll'.
Gemeinsam analysieren
Wenn das Kind älter ist (ab ca. 8 Jahren), kannst du behutsam fragen: Was passiert genau? Wie reagierst du? Das ist keine Schuldzuweisung, sondern hilft, Muster zu erkennen.
💡 Manche Kinder warten z.B. darauf, angesprochen zu werden, statt selbst aktiv zu werden.
Soziale Kontakte außerhalb der Schule ermöglichen
Vereine, Kurse, Nachbarschaft – andere Kontexte bieten neue Chancen. Dort gibt es keine vorgeprägten Rollen, und das Kind kann einen Neuanfang machen.
💡 Frag dein Kind, welche Aktivität es interessieren würde. Erzwinge nichts.
Einzelne Kontakte fördern
Große Gruppen sind schwieriger. Versuche, Einzelkontakte anzubahnen – z.B. ein Kind aus der Klasse zu einer Aktivität einladen. Eins-zu-eins ist oft einfacher.
💡 Wähle ein Kind, das offen und freundlich wirkt – nicht unbedingt das 'beliebte'.
Mit der Schule sprechen
Wenn die Ausgrenzung anhält, informiere die Lehrkraft. Gute Schulen haben Strategien gegen Ausgrenzung und können die Gruppendynamik beeinflussen.
💡 Bitte um konkrete Maßnahmen, z.B. Sitzordnung ändern, Gruppenarbeiten bewusst einteilen.
Soziale Kompetenzen üben
Wenn dein Kind Schwierigkeiten hat, Kontakt aufzunehmen, könnt ihr das üben. Rollenspiele zu Hause, Bücher über Freundschaft lesen, Situationen durchsprechen.
💡 Präsentiere es als 'Tricks' und 'Strategien', nicht als 'Fehler beheben'.
Professionelle Hilfe in Betracht ziehen
Wenn die Situation sich nicht verbessert oder dein Kind sehr leidet, kann Unterstützung durch Schulpsychologie oder Therapeuten helfen. Das ist kein Versagen.
💡 Soziale Kompetenztrainings in Gruppen können sehr wirksam sein.
Hilfreiche Sätze für dein Kind
Diese Formulierungen stärken und zeigen Verständnis:
- ✓'Das klingt wirklich schmerzhaft. Es ist okay, traurig zu sein.'
- ✓'Du bist liebenswert – auch wenn es sich gerade nicht so anfühlt.'
- ✓'Manchmal dauert es, die richtigen Freunde zu finden. Das heißt nicht, dass etwas mit dir nicht stimmt.'
- ✓'Ich bin für dich da, egal was passiert.'
- ✓'Lass uns überlegen, was wir gemeinsam tun können.'
- ✓'Es gibt so viele tolle Sachen an dir. Soll ich sie dir aufzählen?'
Sätze, die vermieden werden sollten
Diese gut gemeinten Aussagen können schaden:
- ✗'Die anderen sind doch doof.' – Entwertet die Sehnsucht nach Zugehörigkeit
- ✗'Du musst nur mehr auf andere zugehen!' – Klingt nach Vorwurf
- ✗'Das ist doch nicht so schlimm.' – Verharmlost echten Schmerz
- ✗'Dann spiel halt mit anderen!' – Ignoriert, dass es keine 'anderen' gibt
- ✗'Was machst du denn falsch?' – Gibt dem Kind die Schuld
- ✗'Ich werde mit den Eltern sprechen!' – Ohne Einbeziehung des Kindes
Wie schwer ist die Situation?
Normale soziale Herausforderung
Gelegentliches Außenstehen, aber Kind hat mindestens einen Freund, Situation ist neu (z.B. Klassenwechsel), Kind ist grundsätzlich zufrieden, kleinere soziale Schwierigkeiten die sich mit der Zeit auflösen
Erhöhte Aufmerksamkeit nötig
Kind ist regelmäßig allein in der Pause, erzählt nie von Freunden, zeigt Verhaltensänderungen (trauriger, ängstlicher), will nicht mehr zur Schule, Situation besteht seit mehreren Wochen
Professionelle Hilfe empfohlen
Kind leidet massiv und zeigt depressive Symptome, komplette soziale Isolation über Monate, Schulverweigerung, psychosomatische Beschwerden, negative Selbstaussagen ('Ich bin wertlos'), Zusammenhang mit Mobbing erkennbar
🩺Wann professionelle Hilfe sinnvoll ist
Zögere nicht, dir Unterstützung zu holen:
- !Die Situation besteht seit Monaten ohne Besserung
- !Dein Kind zeigt depressive Symptome oder starke Ängste
- !Es gibt keinerlei soziale Kontakte, auch nicht außerhalb der Schule
- !Die Schule reagiert nicht angemessen
- !Du selbst fühlst dich hilflos und erschöpft
- !Das Familienleben leidet unter der Situation
- !Dein Kind zeigt selbstverletzendes Verhalten oder spricht von Hoffnungslosigkeit
- !Du vermutest eine zugrunde liegende Ursache (z.B. Autismus-Spektrum, ADHS)
Anlaufstellen
In der Schule: Klassenleitung, Schulsozialarbeit, Schulpsychologie Außerhalb: Erziehungsberatungsstellen, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie, Soziale Kompetenztrainings Beratung: Nummer gegen Kummer (116 111), Online-Beratung der Caritas/Diakonie
Langfristige Stärkung
Selbstwert aufbauen:
- Fokussiere auf Stärken, nicht auf Defizite
- Ermögliche Erfolgserlebnisse (Hobbys, Sport, Talente)
- Bedingungslose Annahme zeigen
Soziale Fähigkeiten fördern:
- Zu Hause üben: Gespräche beginnen, Kompromisse finden
- Bücher und Filme über Freundschaft gemeinsam besprechen
- Konflikte in der Familie konstruktiv lösen
Gelegenheiten schaffen:
- Vielfältige soziale Kontexte ermöglichen
- Nicht nur auf die Schule setzen
- Einzelkontakte unterstützen
Vorbild sein:
- Zeige selbst gesunde soziale Beziehungen
- Erzähle von eigenen Freundschaften und Herausforderungen
- Sei einladend für andere Kinder
Häufig gestellte Fragen
„Ein guter Freund ist mehr wert als hundert Bekannte. Manchmal braucht es Zeit, diesen einen zu finden.
Wie unterstützt du dein Kind bei sozialen Herausforderungen?
Dein Erziehungsstil beeinflusst, wie du auf soziale Schwierigkeiten deines Kindes reagierst. Tröstest du vor allem oder wirst du auch aktiv? Überlässt du es dem Kind oder greifst du ein? Wenn du deinen Stil kennst, kannst du bewusster handeln.
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