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Kita👶 1-4 Jahre📖 16 Min. Lesezeit

Kita-Eingewöhnung klappt nicht – Ursachen verstehen und Lösungen finden

Die Eingewöhnung sollte drei Wochen dauern – jetzt sind es schon sechs und dein Kind weint noch immer. Du fragst dich: Ist mein Kind nicht bereit? Mache ich etwas falsch? Ist diese Kita die richtige? Die gute Nachricht: Eine schwierige Eingewöhnung sagt nichts über dein Kind oder deine Erziehung aus. Manche Kinder brauchen einfach länger.

In diesem Artikel erfährst du:

  • 1Was bei der Eingewöhnung im Gehirn deines Kindes passiert
  • 2Warum manche Kinder länger brauchen als andere
  • 3Die häufigsten Stolpersteine bei der Eingewöhnung
  • 4Wie die 4 Erziehungsstile die Eingewöhnung beeinflussen
  • 5Konkrete Strategien für eine sanfte Eingewöhnung
  • 6Wann Abbruch eine Option ist

Was passiert bei der Eingewöhnung?

Die Kita-Eingewöhnung ist ein bedeutender Übergang im Leben deines Kindes. Zum ersten Mal soll es sich von seiner primären Bezugsperson trennen und Vertrauen zu fremden Erwachsenen aufbauen.

Was dein Kind leisten muss:
- Eine völlig neue Umgebung kennenlernen
- Fremden Menschen vertrauen
- Sich von Mama/Papa trennen
- Einen anderen Tagesrhythmus akzeptieren
- Sich in einer Gruppe zurechtfinden

Das ist keine Kleinigkeit!
Aus Sicht eines 1-3 Jährigen ist die Trennung von der Bezugsperson eine potenzielle Gefahr. Das Bindungssystem schlägt Alarm. Die intensive Reaktion deines Kindes ist also kein Zeichen von Schwäche oder schlechter Erziehung – es ist ein Zeichen für eine gute Bindung.

Das Berliner Modell:
Die meisten Kitas arbeiten mit dem 'Berliner Modell': Schrittweise Trennung über mehrere Wochen, erst kurz, dann länger. Dieses Modell respektiert das Tempo des Kindes – theoretisch. In der Praxis gibt es oft Druck, schneller voranzukommen.

Zwei Welten treffen aufeinander

Um zu verstehen, warum die Eingewöhnung so belastend sein kann:

Dein Kind erlebt:

  • Wo ist Mama/Papa? Kommen sie wieder?
  • Alles ist neu, laut, anders, überwältigend
  • Diese Menschen kenne ich nicht – kann ich ihnen vertrauen?
  • Mein ganzer Tagesablauf ist anders
  • Ich vermisse mein Zuhause und meine Sicherheit

Du als Elternteil erlebst:

  • Herzzerreißendes Weinen – soll ich wirklich gehen?
  • Schuldgefühle: Ist es zu früh? Zu viel?
  • Druck: Ich muss bald arbeiten, es MUSS klappen
  • Vergleiche: Andere Kinder weinen nicht so
  • Unsicherheit: Mache ich etwas falsch?

💡Ein Kind, das bei der Eingewöhnung weint, ist nicht 'schwierig' oder 'verhaltensauffällig'. Es zeigt gesundes Bindungsverhalten. Dass es protestiert, wenn seine wichtigste Bezugsperson geht, ist entwicklungspsychologisch völlig richtig.

Die Wissenschaft hinter der Eingewöhnung

Um zu verstehen, was im Gehirn deines Kindes passiert, ist ein Blick auf die Bindungstheorie hilfreich.

Das Bindungssystem:
Jedes Kind ist biologisch darauf programmiert, Nähe zu seinen Bezugspersonen zu suchen – das sichert das Überleben. Wenn diese Bezugsperson plötzlich weg ist, aktiviert das Gehirn Alarmzustand. Stresshormone werden ausgeschüttet, das Kind protestiert.

Die 'sichere Basis':
Kinder erkunden die Welt von einer 'sicheren Basis' aus – normalerweise Mama oder Papa. Erst wenn diese Basis da ist, kann das Kind entspannt spielen und lernen. Bei der Eingewöhnung muss diese sichere Basis auf eine neue Person übertragen werden – die Erzieherin.

Cortisol-Level:
Studien zeigen, dass Kinder in den ersten Wochen der Kita-Betreuung erhöhte Cortisol-Level (Stresshormon) haben. Eine gute Eingewöhnung minimiert diesen Stress. Zu schnelles Vorgehen kann den Stress verlängern.

Die 'innere Arbeitsmodelle':
Dein Kind entwickelt durch die Eingewöhnung ein inneres Bild davon, ob die Welt sicher ist und ob Trennungen aushaltbar sind. Eine gelungene Eingewöhnung stärkt das Vertrauen: 'Mama geht – aber sie kommt wieder.'

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Warum manche Kinder länger brauchen

Es gibt viele Faktoren, die die Eingewöhnungsdauer beeinflussen: Temperament des Kindes (vorsichtige Kinder brauchen mehr Zeit), Vorerfahrungen mit Trennungen, Alter des Kindes (sehr junge und Kinder um 18 Monate oft schwieriger), Bindungsstil (sicher gebundene Kinder protestieren oft deutlich, gewöhnen sich dann aber gut ein), Passung mit der Erzieherin. KEINER dieser Faktoren ist ein Zeichen von Versagen – weder deins noch das des Kindes.

Häufige Stolpersteine bei der Eingewöhnung

Diese Faktoren können die Eingewöhnung erschweren:

  • Zu schnelles Tempo: Druck von außen führt zu voreiligen Trennungen
  • Unklare Verabschiedung: Heimlich wegschleichen zerstört Vertrauen
  • Elterliche Ambivalenz: Kind spürt deine eigene Unsicherheit
  • Kein fester Anker: Wechselnde Bezugserzieherinnen
  • Überstimulation: Zu viel auf einmal – Kinder, Lärm, neue Eindrücke
  • Ungünstiger Zeitpunkt: Andere Veränderungen parallel (neues Geschwister, Umzug)
  • Keine Brücke: Kind hat kein vertrautes Objekt dabei (Kuscheltier, Schnuller)
  • Kranheitsunterbrechung: Langer Stillstand durch Krankheit

💡Viele dieser Stolpersteine lassen sich vermeiden oder abschwächen.

Typische Fehler bei der Eingewöhnung

Diese gut gemeinten Verhaltensweisen erschweren oft die Eingewöhnung:

  • Heimlich verschwinden: Kind fühlt sich betrogen, Vertrauen leidet
  • Zu langes Verabschieden: Zieht den Schmerz in die Länge
  • Zurückkommen wegen Weinen: Kind lernt: Weinen = Mama kommt zurück
  • Eigene Tränen zeigen: Kind spürt: Das ist schlimm – ich muss Angst haben
  • Negative Aussagen: 'Du brauchst nicht weinen' entwertet die Gefühle
  • Zu hohe Erwartungen: 'Nach einer Woche muss es klappen'
  • Vergleichen: 'Die anderen Kinder weinen auch nicht'

Wie die 4 Erziehungsstile die Eingewöhnung beeinflussen

Dein Erziehungsstil wirkt sich auch auf die Kita-Eingewöhnung aus:

Empfohlen
🌿

Autoritativ

Wärme + klare Grenzen

  • Nimmt die Gefühle des Kindes ernst, ohne von der Entscheidung abzurücken
  • Verabschiedet sich klar und liebevoll, ohne zu zögern
  • Zeigt Vertrauen in das Kind UND in die Erzieher
  • Bleibt so lange wie nötig, ohne zu klammern
  • Spricht positiv über die Kita, ohne zu beschönigen
  • Akzeptiert das Tempo des Kindes ohne Ungeduld
  • Ist selbst emotional reguliert und vermittelt Sicherheit

→ Kinder spüren: 'Das ist sicher, Mama/Papa vertrauen darauf, also kann ich das auch.' Beste Voraussetzung für erfolgreiche Eingewöhnung.

🏛️

Autoritär

Strenge + wenig Emotionen

  • Erwartet, dass das Kind 'funktioniert'
  • Wenig Verständnis für Tränen und Protest
  • Drängt auf schnelles Vorankommen
  • Entwertet die Gefühle: 'Stell dich nicht so an'
  • Vergleicht mit anderen, 'braveren' Kindern

→ Kind fühlt sich nicht verstanden. Kann zu längerer Eingewöhnung oder späteren Problemen führen.

☀️

Permissiv

Viel Wärme, wenige Grenzen

  • Kann sich selbst kaum lösen
  • Verabschiedung zieht sich endlos
  • Kommt bei Weinen zurück
  • Zweifelt ständig an der Entscheidung
  • Überträgt eigene Ambivalenz auf das Kind

→ Kind spürt die Unsicherheit und wird selbst unsicherer. Eingewöhnung kann sich verzögern.

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Laissez-faire

Wenig Struktur, wenig Führung

  • Inkonsequent: mal da, mal weg
  • Wenig aktive Begleitung der Eingewöhnung
  • Delegiert die Verantwortung an die Kita
  • Ist emotional wenig verfügbar
  • Kind findet keine sichere Basis

→ Kind hat es schwer, Sicherheit zu finden – weder bei Eltern noch bei Erziehern.

So gelingt die Eingewöhnung – Schritt für Schritt

Diese Strategien unterstützen eine sanfte und erfolgreiche Eingewöhnung:

1

Die richtige Vorbereitung

Sprich vor dem Kita-Start positiv, aber realistisch über die Kita. Lies Bücher über Kita. Wenn möglich: Besuche die Kita vorher mit deinem Kind.

💡 Ein Fotobuch mit Bildern von der Kita und der Erzieherin kann helfen.

2

Bringe ein Übergangsobjekt mit

Ein vertrautes Kuscheltier, ein T-Shirt mit Mamas Geruch, ein Familienfoto – etwas, das dein Kind an zu Hause erinnert und tröstet.

💡 Das Übergangsobjekt bleibt in der Kita, damit dein Kind weiß: Es ist immer da.

3

Sei entspannt – wirklich

Kinder spüren deine Gefühle sehr genau. Wenn du unsicher oder traurig bist, überträgt sich das. Arbeite an deiner eigenen Haltung: Du vertraust darauf, dass die Kita gut für dein Kind ist.

💡 Wenn du selbst sehr ambivalent bist, sprich mit jemandem darüber – bevor die Eingewöhnung startet.

4

Klare, kurze Verabschiedung

Sage klar, dass du gehst und wann du wiederkommst. Keine langen Erklärungen, kein Zögern, kein Hinauszögern. 'Ich gehe jetzt. Nach dem Mittagessen bin ich wieder da. Ich liebe dich.'

💡 Ein Verabschiedungsritual (Kuss auf die Hand, Winken am Fenster) gibt Struktur.

5

Niemals heimlich verschwinden

Auch wenn es verlockend ist, wenn das Kind gerade abgelenkt ist: NICHT heimlich gehen. Das zerstört das Vertrauen und das Kind wird misstrauischer.

💡 Lieber kurzes Weinen bei offener Verabschiedung als langfristig beschädigtes Vertrauen.

6

Geh, wenn du gehst

Wenn du dich verabschiedet hast: Geh. Nicht umdrehen, nicht zurückkommen, nicht warten. Vertraue der Erzieherin. Die meisten Kinder beruhigen sich schnell nach dem Gehen.

💡 Ruf nach 15 Minuten an, um zu hören, wie es deinem Kind geht – das beruhigt DICH.

7

Respektiere das Tempo deines Kindes

Manche Kinder brauchen drei Wochen, manche drei Monate. Das ist keine Schwäche. Dränge nicht auf schnelleres Vorankommen, nur weil der Arbeitgeber drückt.

💡 Sprich mit dem Arbeitgeber ehrlich über die Situation – viele sind verständnisvoller als gedacht.

8

Verbindung nach der Kita

Nach dem Abholen: Erst Verbindung, dann Fragen. Kuscheln, Nähe, ohne Ausfragen. Später kann dein Kind von selbst erzählen.

💡 'Erzähl mir was von heute' funktioniert oft besser als 'Was hast du heute gemacht?'

9

Geduld bei Rückschritten

Nach Krankheit, Urlaub oder anderen Unterbrechungen kann es Rückschritte geben. Das ist normal. Nicht verzweifeln, einfach wieder von vorne sanft aufbauen.

💡 Rückschritte bedeuten nicht, dass die Eingewöhnung gescheitert ist.

Wann ist ein Abbruch die richtige Entscheidung?

Manchmal klappt es einfach nicht – und das ist okay. Ein Abbruch kann sinnvoll sein, wenn:

Zeichen, dass etwas nicht stimmt:
- Dein Kind zeigt nach Wochen keinerlei Fortschritt
- Es entwickelt neue Ängste oder Verhaltensauffälligkeiten
- Du hast ein anhaltendes schlechtes Bauchgefühl
- Die Chemie zur Bezugserzieherin stimmt nicht
- Die Kita-Philosophie passt nicht zu euren Werten

Bevor du abbrichst:
- Sprich mit der Kita-Leitung über deine Sorgen
- Frag, ob ein Erzieherwechsel möglich ist
- Hol dir eine unabhängige Meinung (Kinderarzt, Beratung)
- Unterscheide: Ist es mein Gefühl oder das meines Kindes?

Wenn du abbrichst:
- Das ist kein Versagen – weder von dir noch deinem Kind
- Manchmal ist es einfach nicht der richtige Zeitpunkt oder die richtige Kita
- Ein neuer Versuch in ein paar Monaten kann völlig anders laufen

Hilfreiche Sätze während der Eingewöhnung

Diese Sätze unterstützen dein Kind und dich:

  • 'Ich gehe jetzt und komme nach dem Mittagessen wieder.'
  • 'Es ist okay, traurig zu sein. [Erzieherin] passt auf dich auf.'
  • 'Ich denke an dich, während du hier spielst.'
  • 'Ich bin so stolz, wie gut du das machst!'
  • 'Hier kannst du spielen, bis ich wiederkomme.'
  • 'Dein Kuscheltier ist bei dir und passt auf.'
  • (Nach der Kita:) 'Ich hab dich vermisst. Schön, dass du wieder da bist.'

Sätze, die du vermeiden solltest

Diese gut gemeinten Sätze können die Eingewöhnung erschweren:

  • 'Du brauchst nicht zu weinen.' (entwertet das Gefühl)
  • 'Ich bleibe noch ein bisschen...' und dann doch gehen
  • 'Sei brav!' (Kind denkt: Wenn ich weine, bin ich nicht brav)
  • 'Die anderen weinen auch nicht.' (Vergleich, Beschämung)
  • 'Mama muss jetzt zur Arbeit!' (Schuldzuweisung)
  • 'Ich komme ganz schnell wieder!' (kann sich als 'Lüge' anfühlen)

Wann ist eine schwierige Eingewöhnung noch normal?

🟢

Normale Eingewöhnung

Kind weint bei der Trennung, beruhigt sich aber binnen 10-15 Minuten, zeigt zwischendurch Interesse an Spielzeug und anderen Kindern, lässt sich von der Erzieherin trösten, zeigt Fortschritte auch wenn langsam, ist nach der Kita erschöpft aber nicht verstört

🟡

Erhöhte Aufmerksamkeit

Kind weint über längere Zeit (>30 Min) ohne sich zu beruhigen, zeigt keinerlei Interesse an der Umgebung, lässt sich von niemandem außer den Eltern trösten, Fortschritte sind nach Wochen minimal, zeigt zu Hause neue Ängste oder Verhaltensänderungen

🔴

Professionelle Beratung empfohlen

Kind reagiert mit extremer Panik, ist völlig untröstlich über Stunden, entwickelt körperliche Symptome (Schlafprobleme, Essenverweigerung), zeigt Rückschritte in der Entwicklung, Eltern selbst sind massiv belastet

🩺Wann professionelle Hilfe sinnvoll ist

In folgenden Situationen solltest du dir Unterstützung holen:

  • !Die Eingewöhnung macht nach Wochen keinerlei Fortschritt
  • !Dein Kind zeigt extreme Angstreaktionen oder Panik
  • !Es entwickeln sich neue Symptome (Schlafprobleme, Einnässen)
  • !Du selbst leidest stark unter der Situation
  • !Du hast ein anhaltendes schlechtes Bauchgefühl
  • !Die Beziehung zur Kita ist konflikthaft
  • !Dein Kind zeigt zu Hause deutliche Verhaltensänderungen
  • !Du bist unsicher, ob Abbruch die richtige Entscheidung wäre
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Anlaufstellen

Erste Ansprechpartner: Kinderarzt/Kinderärztin, Erziehungsberatungsstelle (kostenlos), Elternberatung der Kita. Bei anhaltenden Problemen: Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut, Familienberatung. Auch die Kita-Fachberatung kann helfen.

Häufig gestellte Fragen

Die Eingewöhnung ist nicht dann gelungen, wenn das Kind nicht mehr weint. Sie ist gelungen, wenn das Kind Vertrauen gefasst hat – in die neue Umgebung, in die Erzieher und in die Gewissheit: Mama und Papa kommen wieder.

Dr. Fabienne Becker-Stoll(Bindungsforscherin)

Wie begleitest du Übergänge?

Dein Erziehungsstil beeinflusst, wie du dein Kind durch schwierige Übergänge wie die Eingewöhnung begleitest. Bist du eher sicherheitsgebend oder selbst unsicher? Drängst du oder lässt du dem Kind Zeit?

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