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Kita👶 2-4 Jahre📖 14 Min. Lesezeit

Kind ignoriert Anweisungen in der Kita – Ursachen verstehen und Lösungen finden

Die Erzieherin sagt 'Aufräumen' – und dein Kind spielt weiter. Sie sagt 'Komm zum Morgenkreis' – und dein Kind bleibt wo es ist. Dieses scheinbare 'Ignorieren' kann Erzieher und Eltern frustrieren. Aber ist es wirklich Absicht? Und was kannst du tun?

In diesem Artikel erfährst du:

  • 1Warum Kleinkinder Anweisungen oft 'ignorieren'
  • 2Der Unterschied zwischen nicht können und nicht wollen
  • 3Wie die Kita-Umgebung das Verhalten beeinflusst
  • 4Wie die 4 Erziehungsstile damit umgehen
  • 5Praktische Strategien für bessere Kooperation
  • 6Wann das Verhalten genauer angeschaut werden sollte

Warum ignoriert mein Kind Anweisungen?

Bevor wir von 'Ignorieren' sprechen, sollten wir verstehen was bei Kleinkindern passiert.

Selektive Wahrnehmung:
Kleinkinder können sich nur auf eine Sache konzentrieren. Wenn dein Kind ins Spielen vertieft ist, kann es die Anweisung tatsächlich nicht 'hören' – das Gehirn filtert sie aus.

Verarbeitungszeit:
Vom Hören zum Verstehen zum Handeln braucht es Zeit. Bei Kindern mehr als bei Erwachsenen. Was aussieht wie Ignorieren, kann auch langsame Verarbeitung sein.

Unreife Impulskontrolle:
Selbst wenn das Kind die Anweisung versteht, kann es den Impuls weiterzuspielen nicht stoppen. Der präfrontale Kortex ist noch nicht ausgereift.

Autonomie-Bedürfnis:
Besonders in der Autonomie-Phase (ca. 2-3 Jahre) sagen Kinder gerne 'Nein' oder ignorieren Anweisungen – sie testen ihre Eigenständigkeit.

Überforderung:
In einer lauten, vollen Kita mit vielen Reizen kann das Kind überfordert sein und 'abschalten'.

Wichtig:
Oft ist 'Ignorieren' kein bewusster Widerstand, sondern eine Folge von Entwicklung, Überforderung oder Kommunikationsproblemen.

Zwei Perspektiven

Um zu verstehen was passiert:

Dein Kind erlebt möglicherweise:

  • Ich bin so in mein Spiel vertieft
  • Es ist so laut, ich kann nicht filtern
  • Ich habe gehört aber ich will noch nicht aufhören
  • Ich kann meinen Impuls nicht stoppen
  • Die Anweisung ist zu kompliziert
  • Ich habe nicht verstanden was ich tun soll

Die Erzieherin/du denkt:

  • Das Kind ignoriert mich absichtlich
  • Es ist respektlos
  • Warum hört es nie?
  • Die anderen Kinder schaffen es doch auch
  • Braucht es mehr Konsequenzen?
  • Was stimmt nicht?

💡Echtes 'Ignorieren' erfordert dass das Kind die Anweisung hört, versteht und sich bewusst entscheidet nicht zu folgen. Bei Kleinkindern scheitert es oft schon an den ersten zwei Schritten.

🧠

Die drei Schritte der Kooperation

Damit ein Kind kooperiert, müssen drei Dinge passieren: 1) Hören – Das Kind nimmt die Anweisung wahr (nicht abgelenkt, nicht zu weit weg). 2) Verstehen – Das Kind begreift was es tun soll (klare Sprache, altersgerecht). 3) Umsetzen – Das Kind hat die Fähigkeit zu handeln (Impulskontrolle, nicht überfordert). Wenn eines dieser Elemente fehlt, sieht es aus wie 'Ignorieren', ist aber etwas anderes.

Häufige Gründe für das 'Ignorieren'

Diese Faktoren spielen oft eine Rolle:

  • Aufmerksamkeit nicht gewonnen: Kind hat nicht mitbekommen dass es angesprochen wurde
  • Zu komplex: Anweisung ist zu lang oder zu kompliziert
  • Keine Dringlichkeit: Kind sieht keinen Grund sofort zu handeln
  • Keine Konsequenz erwartet: Kind weiß dass nichts passiert wenn es nicht folgt
  • Autonomie-Phase: 'Nein' und 'Ich will nicht' sind gerade sehr wichtig
  • Überstimulation: Kind ist überfordert und schaltet ab
  • Fehlende Bindung: Kind hat keine Verbindung zur Person die anweist
  • Unpassender Moment: Mitten in einer wichtigen Aktivität unterbrochen

Was nicht funktioniert

Diese Ansätze verbessern die Situation selten:

  • Aus der Distanz rufen: Kind hört es oft nicht oder nimmt es nicht ernst
  • Immer wieder wiederholen: 10 mal dasselbe sagen entwertet die Anweisung
  • Lauter werden: Schreien erzeugt Stress, nicht Kooperation
  • Zu früh aufgeben: Kind lernt: Durchhalten lohnt sich
  • Beschämen: 'Du hörst NIE!' verletzt und hilft nicht
  • Verhandeln: Endlose Diskussionen schwächen die Anweisung
  • Leere Drohungen: 'Wenn du jetzt nicht...' ohne Follow-through

Wie die 4 Erziehungsstile mit 'Ignorieren' umgehen

Dein Stil zu Hause beeinflusst das Verhalten in der Kita:

Empfohlen
🌿

Autoritativ

Wärme + klare Grenzen

  • Gewinnt erst die Aufmerksamkeit (Nähe, Blickkontakt)
  • Gibt klare, kurze Anweisungen
  • Wartet einen Moment auf Reaktion
  • Wenn keine Reaktion: Begleitet das Kind zur Handlung
  • Konsequent aber nicht hart
  • Sucht nach Mustern: Wann funktioniert es? Wann nicht?
  • Arbeitet mit der Kita an gemeinsamen Strategien

→ Kind lernt: Anweisungen werden umgesetzt. Es ist okay zu brauchen, aber das Ziel bleibt.

🏛️

Autoritär

Strenge + wenig Emotionen

  • Erwartet sofortiges Befolgen
  • Wird bei Nicht-Befolgen lauter/strenger
  • Bestraft das Ignorieren
  • Wenig Interesse an Ursachen
  • Sieht es als Machtfrage

→ Kind folgt aus Angst, nicht aus Einsicht. Oder: Widerstand verstärkt sich.

☀️

Permissiv

Viel Wärme, wenige Grenzen

  • Bittet nett – immer wieder
  • Gibt nach wenn das Kind nicht folgt
  • Macht die Sache selbst
  • Keine echte Erwartung an Kooperation
  • Kind lernt: Nicht folgen ist eine Option

→ Kind hat keinen Grund zu kooperieren – es passiert ja nichts wenn nicht.

🍃

Laissez-faire

Wenig Struktur, wenig Führung

  • Kaum Anweisungen werden gegeben
  • Kind entscheidet selbst was es tut
  • Kein Erwarten von Kooperation
  • Kind kennt es nicht anders
  • Keine Struktur gelernt

→ Kind hat nie gelernt dass Anweisungen etwas bedeuten. Warum sollte es in der Kita anders sein?

So erreichst du bessere Kooperation – Schritt für Schritt

Diese Strategien helfen Anweisungen umzusetzen:

1

Gewinne die Aufmerksamkeit

Bevor du etwas sagst: Geh zum Kind, knie dich hin, stelle Blickkontakt her. Vielleicht sanft berühren. DANN erst sprechen.

💡 Sag den Namen des Kindes und warte bis es dich anschaut.

2

Verwende klare, kurze Anweisungen

'Räum die Klötze in die Kiste.' Nicht: 'Es wäre schön wenn du vielleicht aufräumen könntest.' Klar, direkt, kurz.

💡 Eine Sache pro Anweisung. Nicht drei gleichzeitig.

3

Gib Zeit zu reagieren

Nach der Anweisung: Warte. 5-10 Sekunden. Nicht sofort wiederholen. Das Kind braucht Verarbeitungszeit.

💡 Zähle in Gedanken bis 10.

4

Wenn keine Reaktion: Handeln statt reden

Nicht 10 mal wiederholen. Wenn nach dem Warten nichts passiert: Hilf dem Kind die Handlung zu starten. Führe es zum Aufräumen, begleite es zum Morgenkreis.

💡 Ruhig und freundlich handeln, nicht wütend oder frustriert.

5

Keine leeren Drohungen

Sag nur an was du auch durchziehst. 'Wenn du jetzt nicht... dann...!' und dann passiert nichts? Das Kind lernt: Drohungen bedeuten nichts.

💡 Weniger ankündigen, mehr tun.

6

Schaffe Vorhersehbarkeit

Ankündigungen helfen: 'In 5 Minuten räumen wir auf.' So ist das Kind nicht überrascht und kann sich vorbereiten.

💡 Ein Timer oder Lied als Signal funktioniert oft gut.

7

Feiere Kooperation

Wenn es klappt: 'Du hast aufgeräumt als ich es gesagt habe – super!' Positive Verstärkung motiviert.

💡 Beschreibe was das Kind getan hat, statt nur 'Gut gemacht' zu sagen.

8

Arbeite mit der Kita zusammen

Gleiche Strategien zu Hause und in der Kita helfen dem Kind. Tauscht euch aus was funktioniert.

💡 Bitte um konkrete Beispiele und entwickelt gemeinsame Ansätze.

Die Autonomie-Phase berücksichtigen

Zwischen 2 und 3 Jahren sind Kinder mitten in der Autonomie-Phase. 'Nein' und Widerstand sind normal.

Warum das passiert:
Das Kind entdeckt dass es ein eigenständiges Wesen ist mit eigenem Willen. Es testet: Was passiert wenn ich nein sage?

Was hilft:
- Gib Wahlmöglichkeiten wo es geht: 'Möchtest du die roten oder die blauen Schuhe?'
- Pick your battles: Nicht jede kleine Sache ist es wert zu kämpfen
- Bei wichtigen Dingen klar bleiben: Sicherheit ist nicht verhandelbar
- Anerkennen: 'Du möchtest weiterspielen. Und jetzt ist Aufräumzeit.'

Was nicht hilft:
- Alles zur Machtfrage machen
- Das Kind brechen wollen
- Aufgeben und alles dem Kind überlassen

Wann ist 'Ignorieren' noch normal?

🟢

Normale Entwicklung

Kind reagiert wenn man nah bei ihm ist und klar kommuniziert. Es gibt Situationen in denen Kooperation funktioniert. Kind ist in der Autonomie-Phase und testet Grenzen. Es gibt keine anderen Auffälligkeiten.

🟡

Erhöhte Aufmerksamkeit

Kind reagiert auch auf klare, nahe Kommunikation kaum. Kooperation ist dauerhaft schwierig. Die Kita ist besorgt. Es gibt weitere Auffälligkeiten (Sprache, Soziales).

🔴

Professionelle Beratung empfohlen

Kind scheint Sprache kaum wahrzunehmen. Verdacht auf Hör- oder Verarbeitungsprobleme. Weitere Entwicklungsauffälligkeiten. Extreme Opposition die das Zusammenleben stark belastet.

🩺Wann professionelle Hilfe sinnvoll ist

Manchmal braucht es einen genaueren Blick:

  • !Kind reagiert konstant nicht auf Sprache
  • !Verdacht auf Hörprobleme
  • !Weitere Entwicklungsauffälligkeiten
  • !Extreme Verweigerung die über normale Autonomie-Phase hinausgeht
  • !Die Situation belastet alle Beteiligten stark

Häufig gestellte Fragen

Wenn ein Kind nicht kooperiert, ist die erste Frage nicht 'Wie bringe ich es dazu?' sondern 'Warum kann oder will es gerade nicht?' Die Antwort zeigt den Weg.

Ross Greene(The Explosive Child)

Wie gehst du mit Nicht-Kooperation um?

Dein Erziehungsstil prägt wie du auf Widerstand reagierst. Wirst du lauter oder bleibst du ruhig? Gibst du nach oder bleibst du konsequent?

Finde deinen Erziehungsstil heraus →